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Jürgen Brokoff

Literaturstreit und Bocksgesang

Literarische Autorschaft und
öffentliche Meinung nach 1989/90

 

 

 

 

 

 

 

Wallstein Verlag

Ich führe ungern eine Polemik fort, die dort trennt, wo im Grunde, nämlich in der Option für die offene Gesellschaft und die westliche Zivilisation, Einigkeit herrscht.

 

Ralf Dahrendorf, Die Sache mit der Nation, 1990

 

 

Wer sich in die politischen Diskurse der deutschen Öffentlichkeit einmischt, der tut es auf eigene Gefahr. Abschreckend wirken weniger die moralischen Verdächtigungen, die auf diesem Feld gang und gäbe sind. Sie können sich auf eine lange Tradition berufen und gehören zur publizistischen Normalität. Gravierender sind die intellektuellen Risiken, die jeder eingeht, der sich an einer Mediendebatte beteiligt. Fast immer wird er, kaum daß er seinen Beitrag abgeliefert hat, dümmer aussehen als zuvor.

 

Hans Magnus Enzensberger, Die Große Wanderung, 1992

 

 

 

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

© Wallstein Verlag, Göttingen 2021

www.wallstein-verlag.de

Umschlag: Susanne Gerhards, Düsseldorf

 

ISBN (Print) 978-3-8353-1712-3

ISBN (E-Book, pdf) 978-3-8353-2922-5

ISBN (E-Book, epub) 978-3-8353-2923-2

Inhalt

I. Einleitung: Literarische Autorschaft und intellektuelle politische Öffentlichkeit

II. Ein Anfang und ein Ende der deutschen Nachkriegsliteratur

1. 1947 – Westdeutsche Neubestimmungen literarischer Autorschaft und öffentlicher Meinungsbildung

2. 1990 – Christa Wolfs Erzählung Was bleibt, der deutsch-deutsche Literaturstreit und ein Strukturwandel der Öffentlichkeit

3. Nach 1990 – Folgen für das Verhältnis von Literatur und Öffentlichkeit

III. »Das Wort ist gefallen: Rechts.« Literarische Autorschaft und öffentliche Meinung nach dem deutsch-deutschen Literaturstreit

1. Botho Strauß’ Essay Anschwellender Bocksgesang im Kontext des öffentlichen Meinungsstreits

Themen

Gesellschaft

Politik

Intellektuelle und Massenmedien

2. »Jenes ›Rechte‹, um das der Streit noch geht« – Strauß und kein Ende

IV. Ausblick: Literatur und Öffentlichkeit einer »geschwätzig plappernden Spezies«

Anmerkungen

Anmerkungen

1      Cordt Schnibben: Abschwellender Bocksgesang. In: Der Spiegel, Nr. 39, 19. 9. 2015, S. 104-108, hier S. 105. Zitatnachweise aus diesem Artikel fortan im Text unter Angabe der Seitenzahl.

2      Die Spiegel-Reportage von 2015 ist nicht der erste Zeitungsartikel, der die Formulierung vom »anschwellenden« in die vom »abschwellenden Bocksgesang« umkehrt. Vgl. Thomas Assheuer: Spiegelfechterei. Abschwellender Bocksgesang: Neue Notate von Botho Strauß. In: Die Zeit, Nr. 33, 1. 8. 2013, S. 35.

3      Botho Strauß: Anschwellender Bocksgesang. In: Der Spiegel, Nr. 6, 8. 2. 1993, S. 202-207, hier S. 203. Auf die anderen, in Umfang und Wortlaut zum Teil abweichenden Fassungen des Essays, der auch in der Zeitschrift Der Pfahl, im Sammelband Die selbstbewußte Nation und in Strauß’ Buch Der Aufstand gegen die sekundäre Welt erschienen ist, wird in Kapitel III eingegangen.

4      In der längeren Jahrbuch-Fassung des Essays ist außerdem davon die Rede, dass »aus dem Menschenraum im ganzen, dem All aller, seltsame Töne, wie Bocksgesang, empfangen« werden. Botho Strauß: Anschwellender Bocksgesang. In: Der Pfahl. Jahrbuch aus dem Niemandsland zwischen Kunst und Wissenschaft VII, 1993, S. 9-25, hier S. 23.

5      Hans Magnus Enzensberger: Die Große Wanderung. Dreiunddreißig Markierungen, Frankfurt a. M. 1992, S. 67.

6      Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel III.

7      Strauß: Anschwellender Bocksgesang (Anm. 3), S. 202.

8      Ebd.

9      Botho Strauß: Der Plurimi-Faktor. Anmerkungen zum Außenseiter. In: Der Spiegel, Nr. 31, 29. 7. 2013, S. 108-112, hier S. 111.

10    Von »intentionalen Falschlektüren« spricht Peter Sloterdijk in seiner Analyse der deutschen Diskussionskultur im Umfeld der »Flüchtlingsdebatte« von 2015 und 2016. Vgl. Peter Sloterdijk: Primitive Reflexe. In: Die Zeit, Nr. 11, 3. 3. 2016, S. 39.

11    Ich danke Gesa Jessen, Matthias Kählert und Tim Lörke für hilfreiche Unterstützung und besonders Jana Maria Weiß für eine kritische Lektüre des Manuskripts. Zur Stellung der Polemik in der deutschen Literatur vgl. Dirk Rose: Polemische Moderne. Stationen einer literarischen Kommunikationsform vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Göttingen 2020 (zu Strauß S. 616-621).

12    Im Folgenden wird aus Gründen der Lesbarkeit bei der Bezeichnung von Personen und Gruppen meist nur eine Pluralform verwendet, die alle Formen der Geschlechterzugehörigkeit einschließt.

13    Vgl. Botho Strauß: Der letzte Deutsche. Eine Glosse. In: Der Spiegel, Nr. 41, 2. 10. 2015, S. 122-124.

14    Vgl. dazu neuerdings etwa Moritz Aisslinger: »Man hat mich politisch gemacht«. In: Die Zeit, Nr. 36, 29. 8. 2019, S. 11-13. In diesem Dossier über die Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen schreibt Aisslinger unter anderem: »Je weiter sie [die Buchhändlerin Susanne Dagen, J. B.] in die rechte Ecke gestellt wurde, desto demonstrativer, so scheint es, blieb sie dort stehen.« (Ebd., S. 12). 

15    Vgl. dazu: Richard Kämmerlings: Was ist deutsche Überlieferung?. In: Die Welt, 6. 10. 2015; Dietmar Dath: Deutschstunde bei Botho Strauß. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. 10. 2015; Adam Soboczynski: Deutsche Gemütlichkeit. In: Die Zeit, 8. 10. 2015; Patrick Bahners: Gemütliche Gemeinschaft?. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. 10. 2015.

16    Sloterdijk: Primitive Reflexe (Anm. 10), S. 39.

17    Dietz Bering: Die Intellektuellen. Geschichte eines Schimpfwortes, Stuttgart 1978; Ders.: Die Epoche der Intellektuellen 1898-2001. Geburt, Begriff, Grabmal, Berlin 2010. Vgl. aus kulturhistorischer Sicht die nach Abschluss des Manuskripts erschienene Studie: Axel Schildt: Medien-Intellektuelle in der Bundesrepublik, Göttingen 2020.

18    Zur intellektuellen Selbstkritik vgl. den einflussreichen Text La trahison des clercs von Julien Benda aus dem Jahr 1927: Julien Benda: Der Verrat der Intellektuellen, München, Wien 1983.

19    Jacques Derrida: Die Intellektuellen. Definitionsversuch durch sie selbst. Umfrage. In: Ders.: Maschinen Papier, Wien 2006, S. 211-219, hier S. 211.

20    Vgl. u. a. Martin Meyer (Hg.): Intellektuellendämmerung? Beiträge zur neuesten Zeit des Geistes, München, Wien 1992; Uwe Justus Wenzel (Hg.): Der kritische Blick. Über intellektuelle Tätigkeiten und Tugenden, Frankfurt a. M. 2002; Ralf Dahrendorf: Versuchungen der Unfreiheit. Die Intellektuellen in Zeiten der Prüfung, München 2006.

21    Joseph A. Schumpeter: Kapitalismus, Sozialismus, Demokratie, Tübingen, Basel 71993, S. 237.

22    Vgl. Arnold Gehlen: Das Engagement der Intellektuellen gegenüber dem Staat. In: Merkur. Zeitschrift für europäisches Denken 18, 1964, S. 401-413.

23    Schumpeter: Kapitalismus, Sozialismus, Demokratie (Anm. 21), S. 235; die nachfolgenden Zitate finden sich auf S. 237. Vgl. auch M. Rainer Lepsius: Kritik als Beruf. Zur Soziologie der Intellektuellen. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 16, 1964, S. 75-91.

24    Ralf Dahrendorf: Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, München 1965, S. 309.

25    Gehlen: Das Engagement der Intellektuellen (Anm. 22), S. 403 f.

26    Dahrendorf: Gesellschaft und Demokratie in Deutschland (Anm. 24), S. 309.

27    Michel Foucault: Die politische Funktion des Intellektuellen. In: Ders.: Schriften in vier Bänden, Band 3: 1976-1979, Frankfurt a. M. 2003, S. 145-152, hier S. 146. Dort auch die folgenden Zitate.

28    Vgl. dazu Ingrid Gilcher-Holtey: Der »spezifische Intellektuelle«: Michel Foucault. In: Dies.: Eingreifendes Denken. Die Wirkungschancen von Intellektuellen, Weilerswist 2007, S. 359-391.

29    Georg Jäger: Der Schriftsteller als Intellektueller. In: Sven Hanuschek / Therese Hörnigk / Christine Malende (Hg.): Schriftsteller als Intellektuelle. Politik und Literatur im Kalten Krieg. Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur, Band 73, Tübingen 2000, S. 1.

30    Vgl. Jürgen Fohrmann / Carl Friedrich Gethmann (Hg.): Topographien von Intellektualität, Göttingen 2018.

31    Foucault: Die politische Funktion des Intellektuellen (Anm. 27), S. 145.

32    Jürgen Habermas: Heinrich Heine und die Rolle des Intellektuellen in Deutschland. In: Ders.: Eine Art Schadensabwicklung. Kleine Politische Schriften VI, Frankfurt a. M. 1987, S. 25-54, hier S. 29.

33    Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Mit einem Vorwort zur Neuauflage 1990, Frankfurt a. M. 1990.

34    Jürgen Habermas: Ein avantgardistischer Spürsinn für Relevanzen. Die Rolle des Intellektuellen und die Sache Europas. In: Dietz Bering (Hg.): Die Intellektuellen im Streit der Meinungen, Berlin 2011, S. 296-306, hier S. 300.

35    Ebd., S. 300.

36    Ebd.

37    Ebd.

38    Vgl. Michael Walzer: Die Tugend des Augenmaßes. Über das Verhältnis von Gesellschaftskritik und Gesellschaftstheorie. In: Uwe Justus Wenzel (Hg.): Der kritische Blick. Über intellektuelle Tätigkeiten und Tugenden. Frankfurt a. M. 2002, S. 25-38.

39    Karl Heinz Bohrer: Die Phänomenologie der Einzelnen. Die gesellschaftskritischen Möglichkeiten des dichterischen Blicks. In: Wenzel (Hg.): Der kritische Blick (Anm. 38), S. 44-51.

40    Ebd., S. 45.

41    Ebd., S. 48.

42    Ebd., S. 50.

43    Zur Stellung literarischer Texte in politischen Kontexten vgl. auch Wolfgang Braungart: Ästhetik der Politik, Ästhetik des Politischen. Ein Versuch in Thesen, Göttingen 2012.

44    Strauß: Anschwellender Bocksgesang (Anm. 3), S. 204.

45    Hans Werner Richter, zit. n. Heinz Ludwig Arnold: Die Gruppe 47, Reinbek bei Hamburg 2004, S. 44.

46    Vgl. Der Skorpion. Reprint des Jg. 1, 1948, H. 1, München. Mit einer Quellendokumentation und einem Nachwort zur Geschichte der Gruppe 47 von Heinz Ludwig Arnold, Göttingen 1991, vor S. 1 [unpag. Inhaltsverzeichnis].

47    Vgl. den Brief Hans Werner Richters an Nicolaus Sombart vom 8. 8. 1947; er ist in Auszügen in der Quellendokumentation enthalten, die dem Reprint der Zeitschrift Der Skorpion beigegeben ist. Vgl. ebd., S. 61.

48    Ebd.

49    Vgl. Nicolaus Sombart: Spaziergänge mit Carl Schmitt. In: Merkur 38, 1984, S. 191-201; Carl Schmitt / Nicolaus Sombart: Der Briefwechsel von Carl Schmitt mit Nicolaus, Corina und Werner Sombart. Hg. v. Martin Tielke, Berlin 2015.

50    Nikolaus [!] Sombart: Publikation und Öffentlichkeit. In: Der Skorpion. Reprint des Jg. 1, 1948, H. 1, München. Mit einer Quellendokumentation und einem Nachwort zur Geschichte der Gruppe 47 von Heinz Ludwig Arnold, Göttingen 1991, S. 16-18, hier S. 16. Zitatnachweise fortan im Text unter Angabe der Seitenzahl.

51    Jean-Paul Sartre: Was ist Literatur?, Reinbek bei Hamburg 1986, S. 37. (Franz. Original: Ders.: Qu’est-ce que la littérature?, Paris 1948, S. 52).

52    Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit (Anm. 33), S. 32 u. 338.

53    Vgl. dazu Lucian Hölscher: Öffentlichkeit. In: Otto Brunner / Werner Conze / Reinhart Koselleck (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Band 4, Stuttgart 1978, S. 413-467; Ders.: Meinung, öffentliche. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 5: L-Mn, Basel 1980, Sp. 1023-1033; Alexander Gallus / Marion Lühe: Öffentliche Meinung und Demoskopie, Berlin 1998. Aus literaturwissenschaftlicher Sicht vgl. Peter Uwe Hohendahl (Hg.): Öffentlichkeit – Geschichte eines kritischen Begriffs, Stuttgart 2000; Kirk Wetters: The Opinion System. Impasses of the Public Sphere from Hobbes to Habermas, New York 2008.

54    Jürgen Habermas: Heinrich Heine und die Rolle des Intellektuellen in Deutschland (Anm. 32), S. 30.

55    Ebd., S. 21.

56    Ebd.

57    Vgl. Arno Orzessek / Jürgen Fohrmann: Zerstreute Öffentlichkeiten. Zur Programmierung des Gemeinsinns, München 2001.

58    Bernhard Peters: Der Sinn von Öffentlichkeit. In: Jürgen Friedrichs / M. Rainer Lepsius / Friedhelm Neidhardt (Hg.): Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen. Opladen 1994, S. 42-76, hier S. 56.

59    Vgl. Oskar Negt / Alexander Kluge: Öffentlichkeit und Erfahrung. Zur Organisationsanalyse von bürgerlicher und proletarischer Öffentlichkeit, Frankfurt a. M. 1972.

60    Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit (Anm. 33), S. 28.

61    Ebd.

62    Ebd., S. 338.

63    Ebd.

64    Die zuletzt genannten Aufgaben der institutionalisierten Kritik, »Anleitung« zu geben und einen »Maßstab« zu setzen, sind laut Sombart insbesondere für den publizistischen und literarischen »Anfänger« (17) relevant.

65    Theodor W. Adorno: Meinungsforschung und Öffentlichkeit. In: Ders.: Gesammelte Schriften, Band 8: Soziologische Schriften I, Frankfurt a. M. 1997, S. 532-537, hier S. 535.

66    Ebd.

67    Ebd., S. 533.

68    Wilhelm Hennis: Meinungsforschung und repräsentative Demokratie. Zur Kritik politischer Umfragen, Tübingen 1957, S. 45 f.

69    Noch vor Hennis und Adorno steht in den fünfziger Jahren die politische und demokratische Dimension der Öffentlichkeit im Mittelpunkt einer von Carl Schmitt beeinflussten Abhandlung: Rüdiger Altmanns Schrift Das Problem der Öffentlichkeit und seine Bedeutung für die moderne Demokratie, die 1954 in Marburg vom Politikwissenschaftler Wolfgang Abendroth als Dissertation angenommen wird. Wenige Jahre später wird sich Habermas bei Abendroth mit seiner Schrift über den Strukturwandel der Öffentlichkeit habilitieren. Vgl. Rüdiger Altmann: Das Problem der Öffentlichkeit und seine Bedeutung für die moderne Demokratie, Marburg, Univ. Diss. 1954.

70    Ebd., S. 57.

71    Adorno: Meinungsforschung und Öffentlichkeit (Anm. 65), S. 533.

72    Ebd.

73    Ebd., S. 534.

74    Ebd., S. 534 u. 537.

75    In einem Rundfunkgespräch zwischen Adorno und Arnold Gehlen über den Begriff der Öffentlichkeit im Jahr 1964 erinnert Gehlen mit ausdrücklicher Zustimmung Adornos an die Aussage des Nationalökonomen und Historikers Wilhelm Roscher aus dem 19. Jahrhundert: »Wie der Demokratie die Öffentlichkeit natürlich ist, so der Aristokratie die Heimlichkeit.« Vgl. Theodor W. Adorno / Arnold Gehlen: Öffentlichkeit – was ist das eigentlich?, Südwestfunk, 18. 3. 1964. In: Theodor W. Adorno: Kultur und Verwaltung. Vorträge und Gespräche. [Audio-CD], München 2008.

76    Adorno: Meinungsforschung und Öffentlichkeit (Anm. 65), S. 533.

77    Die ersten Autoren, die den Begriff ›öffentliche Meinung‹ als Lehnübersetzung des französischsprachigen Ausdrucks ›opinion publique‹ im Deutschen verwenden, sind Georg Forster, Christoph Martin Wieland und Christian Garve. Vgl. dazu neben der in Anm. 53 genannten Studie von Kirk Wetters (bes. Kap. 1, S. 24-60): Wolfgang Labuhn: »Öffentliche Meinung«. Zu ihrer Wort- und Begriffsgeschichte im Deutschen. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 98, 1979, Sonderheft: Festgabe für Hugo Moser, S. 209-217.

78    Einen guten Überblick über die Geschichte des Begriffs ›öffentliche Meinung‹ gibt die Studie von Gallus / Lühe (Anm. 53).

79    Zit. n. Wilhelm Bauer: Die öffentliche Meinung in der Weltgeschichte, Potsdam 1930, S. 234.

80    Adorno: Meinungsforschung und Öffentlichkeit (Anm. 65), S. 533.

81    Ebd.

82    Hermann Oncken: Politik, Geschichtsschreibung und öffentliche Meinung. In: Ders.: Historisch-politische Aufsätze und Reden, 1. Band, München, Berlin 1914, S. 203-243, hier S. 236.

83    Ebd.

84    Vgl. zu dieser Zeitschrift die Dokumente im Marbacher Ausstellungskatalog: Gerhard Hay u. a. (Hg.): »Als der Krieg zu Ende war«. Literarisch-politische Publizistik 1945-1950, Stuttgart 1973, S. 78-86.

85    Vom Zeitbild der Studenten. Bericht über eine Umfrage in Tübingen und Freiburg. In: Die Gegenwart. Eine Halbmonatsschrift, 2. Jg., Nr. 21 /22, 1947, S. 15-18.

86    Ebd., S. 15.

87    Ebd.

88    Vgl. Frank R. Willis: The French in Germany. 1945-1949, Stanford, Calif. 1962, S. 165 f.

89    Vgl. Elisabeth Noelle: Amerikanische Massenbefragungen über Politik und Presse. Limburg an der Lahn 1940; vgl. auch Dies.: Wie man in USA die »öffentliche Meinung« mißt. In: Deutsche Presse. Zeitschrift des Reichsverbandes der Deutschen Presse, 29. Jg., Nr. 14, 8. 7. 1939, S. 261-263; Dies.: Wer informiert Amerika? Journalisten, Radio, Filme. In: Das Reich. Deutsche Wochenzeitung, Heft 23, 8. 6. 1941, S. 6 f.; Dies.: Das Lächeln nach draußen. Zur Psychologie der englischen Propaganda. In: Das Reich. Deutsche Wochenzeitung, Heft 39, 28. 9. 1941, S. 1 f. – Das Verhältnis Noelles zur Propagandastruktur des NS-Staates ist kompliziert und entzieht sich einfachen Zuschreibungen. Polemisch im Ton und in der soziologischen Analyse unbefriedigend ist die Darstellung von Jörg Becker: Elisabeth Noelle-Neumann. Demoskopin zwischen NS-Ideologie und Konservatismus, Paderborn 2013.

90    Institut für Demoskopie, Die Jugendbefragungen 1947 /48. Ein Inhaltsverzeichnis. 42 Bl. [unpag.], Allensbach 1948.

91    Vgl. ebd., Bl. 9-11 [unpag.].

92    Vgl. ebd., Bl. 5 [unpag.].

93    Vgl. Arnold: Die Gruppe 47 (Anm. 45), S. 35.

94    Prominent vertreten ist diese Formel im Untertitel der von Richter und Andersch herausgegebenen Zeitschrift Der Ruf. Unabhängige Blätter der jungen Generation, die von August 1946 bis April 1947 erschien.

95    Gehlen: Das Engagement der Intellektuellen (Anm. 22), S. 402 u. 404; Schumpeter: Kapitalismus, Sozialismus, Demokratie (Anm. 21), S. 237.

96    Hennis: Meinungsforschung und repräsentative Demokratie (Anm. 68), S. 59.

97    Ebd., S. 55.

98    Gerhard Schmidtchen: Die befragte Nation. Über den Einfluß der Meinungsforschung auf die Politik, Frankfurt a. M. 1965, S. 299.

99    Ebd., S. 302.

100  Jürgen Gerhards / Friedhelm Neidhardt / Dieter Rucht: Zwischen Palaver und Diskurs. Strukturen öffentlicher Meinungsbildung am Beispiel der deutschen Diskussion zur Abtreibung, Opladen 1998, S. 39. – Zum Brückenschlag zwischen empirischer und geisteswissenschaftlicher Öffentlichkeitsforschung vgl. den Band: Anne Fleig / Christian von Scheve (Hg.): Public Spheres of Resonance. Constellations of Affect and Language, London, New York 2020.

101  Bernhard Peters: Der Sinn von Öffentlichkeit. In: Friedrichs /Lepsius / Neidhardt (Hg.): Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen (Anm. 58), S. 42-76, hier S. 57.

102  Ebd.

103  Vgl. u. a. Friedhelm Kröll: Die »Gruppe 47«. Soziale Lage und gesellschaftliches Bewußtsein literarischer Intelligenz in der Bundesrepublik, Stuttgart 1977; Ingrid Gilcher-Holtey: »Askese schreiben, schreib: Askese«. Zur Rolle der Gruppe 47 in der politischen Kultur der Nachkriegszeit. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 2, 2000, S. 134-167; Heinz Ludwig Arnold (Hg.): Die Gruppe 47. Ein kritischer Grundriß, Text + Kritik, München 32004.

104  Vgl. Irmela Schneider: »Fast alle haben vom Rundfunk gelebt.« Hörspiele der 50er Jahre als literarische Formen. In: Justus Fetscher /Eberhard Lämmert / Jürgen Schutte (Hg.): Die Gruppe 47 in der Geschichte der Bundesrepublik, Würzburg 1991, S. 203-217.

105  Vgl. dazu Helmut Böttiger: Elefantenrunden. Walter Höllerer und die Erfindung des Literaturbetriebs, Berlin 2005, bes. S. 13-32.

106  Walter Jens: Statt einer Literaturgeschichte. Dichtung im zwanzigsten Jahrhundert, München 1990, S. 377.

107  So ein Mitglied der Gruppe 47 im »Forschungsinterview«. Vgl. Kröll: Die »Gruppe 47«. Soziale Lage und gesellschaftliches Bewußtsein literarischer Intelligenz in der Bundesrepublik (Anm. 103), S. 214.

108  Hans Werner Richter im Gespräch mit Horst Krüger, 1962, zit. n. Arnold: Die Gruppe 47 (Anm. 45), S. 83.

109  Vgl. Wolfgang Braungart: Literaturgeschichte als Kommunikationsgeschichte. Die Kasseler Zeitschrift Das Karussell (1946-1948). In: Günter Butzer / Joachim Jacob (Hg.): Berührungen. Komparatistische Perspektiven auf die frühe deutsche Nachkriegsliteratur, München 2012, S. 197-215, hier S. 200.

110  Zur Problematik verzerrender Rückprojektionen vgl. Hermann Kinder: Der Mythos von der Gruppe 47, Eggingen 2001, bes. S. 15-28.

111  Hermann Kinder: Sätze zum Satz vom Ende der Literatur. In: Vom gegenwärtigen Zustand der Literatur, Text + Kritik, München 1992, S. 3-9, hier S. 6.

112  Kinder: Mythos von der Gruppe 47 (Anm. 110).

113  Vgl. Frank Schirrmacher: Abschied von der Literatur der Bundesrepublik. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. 10. 1990, wieder abgedruckt in: Ders.: Ungeheuerliche Neuigkeiten. Texte aus den Jahren 1990-2014, München 2015, S. 271-281. Zitatnachweise im Folgenden nach der Buchausgabe unter Angabe der Seitenzahl im Text.

114  Die mit Rückblick und Bilanzierung einhergehende Homogenisierungstendenz bei der Verabschiedung der Literatur der alten Bundesrepublik wird kritisch von Helmut Peitsch vermerkt: »Schon die Rhetorik des Endes legt es nahe, die abzuschließende Vergangenheit zu homogenisieren.« Helmut Peitsch: ›Vereinigungsfolgen‹. Strategien zur Delegitimierung von Engagement in Literatur und Literaturwissenschaft der neunziger Jahre. In: Weimarer Beiträge 47, 2001, S. 325-351, hier S. 336.

115  So die Formulierung in der Bildunterschrift der Abbildung in der FAZ, die ein Foto mit Autoren der Gruppe 47 aus den sechziger Jahren zeigt: »Die literarische Prominenz – hier die Gruppe 47 vor fünfundzwanzig Jahren. Bis zuletzt und ungeachtet aller Veränderungen wurzelte die Identität des Landes in den Texten des Jahres 1960.«

116  Schirrmacher bezieht sich auf eine Rede von Walter Jens, die dieser 1962 unter dem Titel Der Schriftsteller und die Politik an mehreren Orten der Bundesrepublik gehalten hatte. Vgl. Walter Jens: Der Schriftsteller und die Politik. In: Ders.: Literatur und Politik, Pfullingen 1963, S. 5-21. (Die von Schirrmacher zitierten Passagen finden sich auf S. 16 f.).

117  Vgl. Thomas Anz (Hg.): »Es geht nicht um Christa Wolf.« Der Literaturstreit im vereinten Deutschland, München 1991; Karl Deiritz / Hannes Krauss (Hg.): Der deutsch-deutsche Literaturstreit oder »Freunde, es spricht sich schlecht mit gebundener Zunge«. Analysen und Materialien, Hamburg, Zürich 1991. Zur ersten Orientierung in der umfangreichen Forschungsliteratur vgl. u. a. Monika Papenfuß: Die Literaturkritik zu Christa Wolfs Werk im Feuilleton. Eine kritische Studie vor dem Hintergrund des Literaturstreits um den Text »Was bleibt«, Berlin 1998; Roswitha Skare: Christa Wolfs »Was bleibt«. Kontext – Paratext – Text, Berlin 2008.

118  Thomas Anz: Einleitung. Der Fall Christa Wolf und der Literaturstreit im vereinten Deutschland. In: Ders.: »Es geht nicht um Christa Wolf« (Anm. 117), S. 8.

119  Vgl. Joachim Fest: Schweigende Wortführer. Überlegungen zu einer Revolution ohne Vorbild. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30. 12. 1989; Karl Heinz Bohrer: Warum wir keine Nation sind, warum wir eine werden sollten. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. 1. 1990; Ralf Dahrendorf: Die Sache mit der Nation. In: Merkur. Zeitschrift für europäisches Denken 500, 1990, S. 823-834; Karl Heinz Bohrer: Kulturschutzgebiet DDR?. In: Merkur. Zeitschrift für europäisches Denken 500, 1990, S. 1015-1018; Rüdiger Bubner: Philosophen und die deutsche Einheit. In: Merkur. Zeitschrift für europäisches Denken 500, 1990, S. 1018-1025; Wolf Lepenies: Fall und Aufstieg der Intellektuellen in Europa. In: Neue Rundschau 102, 1991, S. 9-22; Andreas Huyssen: Das Versagen der Intellektuellen. Verschiebebahnhof Literaturstreit. In: Deiritz / Krauss (Hg.): Der deutsch-deutsche Literaturstreit (Anm. 117), S. 78-94.

120  Vgl. Bohrer: Warum wir keine Nation sind (Anm. 119); Ders.: Kulturschutzgebiet DDR? (Anm. 119).

121  Vgl. Fest: Schweigende Wortführer (Anm. 119); Lepenies: Fall und Aufstieg der Intellektuellen (Anm. 119), S. 14.

122  Vgl. Jens Jessen: Eine Kaste wird entmachtet. Die Intellektuellen als Hüter der Zweistaatlichkeit. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. 9. 1990. Siehe dazu auch die Kapitelüberschrift »Kampf gegen eine Kaste«. In: Anz (Hg.): »Es geht nicht um Christa Wolf« (Anm. 117), S. 161.

123  Vgl. dazu aus soziologischer Perspektive Hartwig Germer / Stefan Müller-Doohm / Franziska Thiele: Intellektuelle Deutungskämpfe im Raum publizistischer Öffentlichkeit. In: Berliner Journal für Soziologie 23, 2013, S. 511-520.

124  Ralf Dahrendorf: Engagierte Beobachter. Die Intellektuellen und die Versuchungen der Zeit, Wien 2005, S. 11-31, hier S. 15. Dahrendorf zitiert eine Stelle aus Raymond Arons Abhandlung Der engagierte Beobachter von 1983.

125  Vgl. Wolf Biermann: Nur wer sich ändert, bleibt sich treu. Der Streit um Christa Wolf, das Ende der DDR, das Elend der Intellektuellen. Das alles ist auch komisch. In: Süddeutsche Zeitung, 26. 6. 1990, wiederabgedruckt in: Anz (Hg.): »Es geht nicht um Christa Wolf« (Anm. 117), S. 139-160.

126  Vgl. Ulrich Greiner: Mangel an Feingefühl. In: Die Zeit, 1. 6. 1990, wiederabgedruckt in: Anz (Hg.), »Es geht nicht um Christa Wolf« (Anm. 117), S. 66-70; Frank Schirrmacher: »Dem Druck des härteren, strengeren Lebens standhalten«. Auch eine Studie über den autoritären Charakter. Christa Wolfs Aufsätze, Reden und ihre jüngste Erzählung »Was bleibt«. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. 6. 1990, wiederabgedruckt in: Anz (Hg.): »Es geht nicht um Christa Wolf« (Anm. 117), S. 77-89.

127  Christa Wolf: Der geteilte Himmel. Erzählung. Mit einem Kommentar von Sonja Hilzinger, Frankfurt a. M. 2008, S. 231.

128  Christa Wolf: Sprache der Wende. In: Dies.: Im Dialog, Frankfurt a. M. 1990, S. 119-121, hier S. 119.

129  Christa Wolf: Erklärung. In: Dies.: Im Dialog (Anm. 128), S. 169 f.

130  Christa Wolf u. a.: Für unser Land. In: Dies.: Im Dialog (Anm. 128), S. 170 f., hier S. 171.

131  Schirrmacher: »Dem Druck des härteren, strengeren Lebens standhalten« (Anm. 126), S. 77.

132  Greiner: Mangel an Feingefühl (Anm. 126), S. 66.

133  Vgl. neben der journalistischen Kritik an dieser Formulierung Huyssen: Das Versagen der Intellektuellen (Anm. 119), S. 84 f.; Peter Uwe Hohendahl: Wandel der Öffentlichkeit. Kulturelle und politische Identität im heutigen Deutschland. In: Claudia Mayer-Iswandy (Hg.): Zwischen Traum und Trauma – die Nation. Transatlantische Perspektiven zur Geschichte eines Problems, Tübingen 1994, S. 129-146, hier S. 131.

134  Robert Weimann: Kunst und Öffentlichkeit in der sozialistischen Gesellschaft. Zum Stand der Vergesellschaftung künstlerischer Verkehrsformen (1979). In: Ders.: Kunstensemble und Öffentlichkeit. Aneignung – Selbstverständigung – Auseinandersetzung, Halle, Leipzig 1982, S. 7-46, hier S. 9; David Bathrick: Kultur und Öffentlichkeit in der DDR. In: Peter Uwe Hohendahl / Patricia Herminghouse (Hg.): Literatur der DDR in den siebziger Jahren. Frankfurt a. M. 1983, S. 53-81, hier S. 54.

135  Christa Wolf: Heine, die Zensur und wir. Rede auf dem Außerordentlichen Schriftstellerkongreß der DDR. In: Dies.: Im Dialog (Anm. 128), S. 163-168, hier S. 166.

136  Christoph Hein: Öffentlich arbeiten (1982). In: Ders.: Öffentlich arbeiten. Essais und Gespräche, Berlin, Weimar 1987, S. 34-38, hier S. 36 f.

137  Biermann: Nur wer sich ändert, bleibt sich treu (Anm. 125), S. 148.

138  Ebd., S. 149.

139  Helga Königsdorf: Der Schmerz über das eigene Versagen. In: Die Zeit, 1. 6. 1990, S. 64.

140  Christa Wolf: Was bleibt. Erzählung, Frankfurt a. M. 1990 (Luchterhand-Ausgabe), S. 22.

141  Vgl. dazu: Hermann Vinke (Hg.): Akteneinsicht Christa Wolf. Zerrspiegel und Dialog. Eine Dokumentation, Frankfurt a. M. 1993.

142  Schirrmacher: »Dem Druck des härteren, strengeren Lebens standhalten« (Anm. 126), S. 88; Huyssen: Das Versagen der Intellektuellen (Anm. 119), S. 84.

143  Vgl. Wolfgang Emmerich: Kleine Literaturgeschichte der DDR. Erweiterte Neuausgabe, Berlin 2000, S. 40-69.

144  Stefan Wolle: Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971-1989, Berlin 2009, S. 166.

145  Vgl. Thomas Brussig: Worte der Wende. Wahnsinn. In: Deutschlandradio Kultur, 9. 11. 2009: http://www.deutschlandradiokultur.de/worte-der-wende-wahnsinn.1013.de.html?dram:article_id=169780 (letzter Zugriff: 30. 6. 2020).

146  Wolf u. a.: Für unser Land (Anm. 130), S. 171.

147  Wolf: Erklärung (Anm. 129), S. 170.

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