image

Vom Augusterlebnis
zur Novemberrevolution

Briefe aus dem Weltkrieg
1914–1918

Herausgegeben von
Jens Ebert

image

Inhalt

1914

1915

1916

1917

1918

1919

Jens Ebert: Großer Krieg und kleine Leute

Zu dieser Ausgabe

Personenverzeichnis

1914

Lina Diehlmann an ihren Sohn Karl in Frankfurt a. M.

Flammersbach den 1. August 14

Mein liebes Kind. Deinen Brief erhalten, Du weißt nicht, in was für eine Unruhe wir hier sind, heute Mittag wurde geschellt, daß das 18 Armeekorps Mobilgemacht hätte, das war schon gestern Nachmittag hierher tellephoniert worden aber geheim. Was wird das für ein Elend geben, wenn Feindvolk ins Land kommt, dann sind wir auch dran. Söhne Dich doch noch mit Reinhard aus, wenn Du kannst, und Du bist Morgen noch nicht fort. Tante Anna ihr Gustav muß Dienstag auch schon fort, um die neue Brücke unter Haigar zu bewachen, Du kannst Dir das Elend denken, nun bekommt sie auch noch ein Kind, Albert und Gustav müssen doch auch fort, dann bekommen wir sie alle hierher. Du hättest nun vielleicht besser nicht gelernt [?]. Es müssen auch sonst schon immer Leute fort. Solltest Du nun fortmüssen, und wärst verwundet, so gibt doch ein Lebenszeichen von Dir, wenn auch von sonst jemand. Im Steinbruch ist ein Österreicher der hat sich nicht gestellt. Das ist Sohns Otto und Urschels Theodor mit dem Revolver hin und wollen ihn wahrscheinlich holen. Also bitte lieber Karl schreibe gleich Nachricht, und solltest Du in Feindesland kommen, keine Greueltaten verrichten, immer barmherzig, auch gegen den Feind. Denke daß wir immer an Dich denken, und vergiß das beten nicht, Gott allein kann uns helfen, wenn Du was nötig hast, schreibe und auch wo Du bist. Der Herr wolle es verhüten daß es zum Ausbruch kommt. Muß schließen. So sei nun herzlich gegrüßt von Deiner Mutter.

Reinhard wird wohl dann auch noch fortmüssen.

Oberarzt Heinrich Luft an seine Familie in Gießen

Mainz-Castel 5/814.

Meine Lieben!

Der 1. Kriegstag ist in friedlicher Ruhe und Beschaulichkeit vorüber. Die Fahrt war entsetzlich, um 8 Uhr war ich hier, 10 Leute im Coupé. Nachdem ich mich gemeldet hatte, wurde ich entlassen, da die Ersatzkompagnie noch nicht gebildet ist. Sie wird erst in den nächsten Tagen gebildet u. voraussichtlich 6 Wochen hier gedrillt. Zum Mittagessen war ich im Casino. Die Stimmung famos, vom Krieg wird eigentlich wenig geredet, trotzdem die Situation durch die Einmischung Englands noch kritischer geworden ist. Fröhlichkeit, Heiterkeit u. Scherz hört man hier nicht nur bei jungen Leutnants, sondern auch bei älteren u. alten Offizieren. Schimpfen tuen nur die, welche noch nicht gleich mit hinaus können, darunter auch ich! Ich will versuchen, die Wochen mit Reiten auszufüllen, aber ich glaube, es geht nicht, denn die alten Pferde sind fort, die neuen nicht zugeritten; Niemand hat Zeit. Alles packt, ordnet für den Krieg. Die Begeisterung allenthalben ist gross, keine verzagten Gesichter wie in Butzbach. – Ich habe meine Sachen hier im Anker abgestellt, bekomme aber Quartier hier, was ich mir nachher ansehen will. Hier herrscht Leben, nur Soldaten u. Pferde, Pferde u. Soldaten. So, nun genug für heute.

Hoffentlich hat Euch das Essen so gut geschmeckt wie mir. Meine Adresse teile ich Euch morgen mit. Der Brief soll weg, damit Ihr bald ein Paar Zeilen von mir habt.

Euch allen herzliche Grüsse und Küsse

Euer H.

Heizer Arthur Becher an seine Familie

Heizer SMS »Nürnberg«
Bouape [Ponape ] d. 6. August 14

Liebste Eltern und Geschwister.

Ich muß euch noch ein paar Zeilen schreiben vieleicht die letzten. Denn auch wir hier sind bereit zu jeder Stunde dreinzuschlagen. Da ist es möglich das wir unser Leben opfern müssen und wir uns niemals wiedersehen aber wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben. Sollte ich nicht mehr zurückkehren dann lebt alle Wohl. Seid alle herzlich gegrüßt von eurem Sohn und Bruder Arthur. Auch bitte ich euch von Herzen[?] an alle Bekannte und Verwandte einen Gruß zu bestellen ich habe keine Zeit mehr zum schreiben. Hoffentlich geht es euch besser Gott wird uns schon beschützen.

Unteroffizier Hermann Dröge an Ida Mohrhoff in Hannover

Vor Lüttich, 8. August 1914

Liebe Ida! Heute abend rücken wir in Lüttich ein. Gestern nacht haben erste Gefechte stattgefunden. Lüttich hat sich ergeben. Wir waren noch nicht im Feuer. Befinde mich gut. Nur meine Füße schmerzen sehr. Aber nur Mut, es geht für’s Vaterland.

Herzl. Gruß und Kuß

Hermann

Gefreiter Friedrich Müller an Herrmann Roloff in Bessingen bei Bisperode

Herrenhausen d. 9. Aug. 14

Lieber Herrmann u. Anna,

Heute Abend rücken wir aus über die Grenze Dienstag sind wir da. Hier hatten wir schönes Quartier nun kommt die schwere Zeit. Betet fleißig für mich daß mich des Feindes Schwert u Kugel nicht verletzte und ich mit Gottes Hülfe gesund wieder in die Heimat zurück kehren würde durch Jesus Christus unsern Herren. Als Landwehrmann fällt es einen doch schwer den vielen Dienst zu machen. Sende Euch zum Abschied herzlich Gruß und Kuß.

Euer Friedrich

Meine Adresse: Gefreiter Müller, Feldlazarett III, X AK

Oberarzt Heinrich Luft an seine Familie in Gießen

Schwabenheim bei Mainz
10. Mobilmachungstag.

Meine Lieben

Augenblicklich sitze ich auf dem Katheter der Volksschule zu Schwabenheim, u. schreibe Euch diese Zeilen, vor mir 2 Reihen leerer Schulbänke. Neben dem Schulsaal ein kleines Zimmer, das den Leutnant der Komp. u. mich beherbergt, aber nur 1 Stuhl u. keinen Tisch hat. Quer durch die Schulstube ein Seil, auf welchem unsere Wäsche trocknet, die mein Bursche vorhin so gut er’s konnte, gewaschen hat. 1 Hemd 1 Unterhose 1 Taschentuch 2 Paar Strümpfe. Desgl auf der anderen Seite. Vorgestern Abend kam der Befehl: »Oberarzt Dr. L. zur 1. mobilen Landwehrkomp. kommandiert. Sie sind beritten! Ihr Pferd steht drüben im Stall, ein Rappe – etwas später: die Komp. rückt morgen 8 Uhr aus. – Also ich war plötzlich beritten mit meinem grossen Reittalent! Dann gleich morgens unter Hurra u. Gesang der Mainzer Bevölkerung über die Rheinbrücke zwischen Electrischer, Auto, Motorrädern etc etc – Aber es ging besser wie ich dachte, doch mächtig Dampf hatte ich vor der Sache, das will ich ruhig gestehen. Zum 1. Mal mit Sporen auf einem wildfremden Gaul in der Festung Mainz unter haarsträubendem Getöse. Aber es ging! Wir ritten dann bis mittags 1 Uhr. Dann Rast, abends nochmals 1 ½ Stunden. Dass ich meine Knochen gespürt habe, könnt Ihr wohl begreifen. Abends Essen hier im Frankfurter Hof. Hier liegen ca 2000 Mann Militär u. Arbeitskompagnien – Eben waren Herr Kluge u. Patz von Butzbach hier u. besuchten mich. War sehr erstaunt, dieselben hier zu sehen. – Prof. Opitz soll auch hier sein als Landwehrleutnant. Gestern lernte ich Herrn Lt. Neumann aus Wetzlar kennen, Vater von Linda’s Freundin Ellen Neumann. Wir bleiben voraussichtlich 10 Tage hier oder in der Nähe, was dann kommt, wissen wir nicht. – Was macht Mausi? Ist sie recht gesund? Habt Ihr noch Geld. Nächstens schicke ich Euch etwas, ich habe eben noch mehr wie ich brauche u. bitte Euch inständig, ja nicht zu sparen.

Liebe Emmy! Frau Hauptmann Schildhauer in Mainz-Castel, Eleonorstr. 12 wird mir noch einen Umhang bestellen. Sie hat sehr gut für mich gesorgt u. bin ich ihr grossen Dank schuldig. Morgens gratis Kaffee u. Frühstück. Sie hat 2 kleine Kinder u. ihr Mann steht vor dem Feinde. sie wird Dir meinen Waffenrock zusenden, da ich einen grauen von der Kammer bekommen habe. Ich werde, wenn ich meine Uniform habe von St. u. Giessen, an Dich verschiedenes von hier wegsenden, da ich zuviel Gepäck habe. Briefe und Karten an mich brauchen nicht mehr frankiert zu werden u. tragen die Aufschrift: Feldbrief resp. Feldpostkarte. Adresse:

Oberarzt Dr. Luft
1. mobile Landwehr Komp.
Pio. Batl. 21
18. Armeekorps.

Heute ist dienstfreier Tag! Heute abend wird [?] etwas geritten. L. E. hebe bitte die Briefe auf, sie sind vielleicht eine schöne Erinnerung!

Nächster Tag! Fortsetzung. Über Datum u. Wochentag bin ich nicht orientiert. Gestern abend kam der Lehrer an, dessen Schule u. Wohnung wir geöffnet hatten. Er machte ein süsssaures Gesicht u. schliesslich gute Miene zum bösen Spiel indem er uns zu 2 Flaschen Rotwein einlud. Wir haben gestern noch einen tüchtigen Ritt gemacht in den steinigen, steilen Weinbergswegen. Heute u. auch die erste Nacht sehr wenig geschlafen, weil einen hier die Schnaken auffressen, diese »Eeser«[?]! Hände, Gesicht u. Füsse sind total verstochen, – die Füsse, weil unser »Plumeau« nur vom Nabel bis zu den Knöcheln reicht. Ich glaube, der Herr Lehrer hat ein Kopfkissen erwischt, oder sind seine 2 Töchter, in deren jungfräulichen Betten wir schlafen, von solchem Zwergwuchs.

Kurz und gut, wenn wir nur ein Mittel gegen die Schnaken hätten. – Gestern hatten wir 30° im Schatten! Ist’s bei Euch auch so heiss? Doch genug jetzt. Es ist bald Essenszeit u. will ich mal sehen, was es Gutes giebt. Unser Koch ist ein Rheinschiffer, macht seine Sache ganz leidlich. Aber zugucken will ich ihm lieber nicht. Also, meine Lieben, lebt wohl u. habt keine Angst um mich. Vorläufig lässt sich der Krieg noch aushalten. Die rauhe Kriegerart fällt mir ja nicht schwer; hoffentlich komme ich nicht in Lazarett, wo man Tag u. Nacht nur Verwundete sieht; hier lässt es sich schon leben.

Wo steckt Albert! Ist Mama noch in Butzbach. Ich nehme es an.

Der lieben Mama, Dir, liebes Emmylein sowie dem herzigen Mausi

innige Küsse

Euer Hel.

Großmutter (?) an Wolfgang Panzer

Asch, 14. August 1914.

Mein liebes Wölfli!

Meine herzlichsten Glückwünsche zu Deinem Abiturium. Gehörst halt, wie überall, so auch hier, zu den Besten, bist deshalb von der mündlichen Prüfung befreit worden. Wie mich dies Alles freut. Und wenn Du nun all diese Erfolge, Dein vieles mit Fleiß und Schweiß errungenes Wissen, einer Zukunft, die Dir sicher Ehre und Brod bietet, wenn Du Gut und Blut, dieses Alles dem Vaterland opferst, so ist Dir dieser heroische Entschluß nicht hoch genug anzurechnen. Ein Land, das solche Söhne hat, kann nicht untergehn. Wie achtungswerth ist es, daß Deine Klasse so viele begeisterte Jünglinge hat, und da ihr Alle in dasselbe Regiment eintreten wollt, so ist dies eine Beruhigung für uns, Dich unter so vielen guten Kameraden zu wissen. Nun haben die 4 Wochen, die Du bei uns verlebtest, sich zu einem unbegrenzten Wert gesteigert, durften wir doch Deine Edelnatur, Deine Liebenswürdigkeit noch einmal voll und ganz genießen und haben durch Deinen ausgezeichneten, hochwissenschaftlichen Vortrag, den Du an Großvaters Geburtstag uns hieltest, einen tiefen, schönen Einblick in Dein Wissen und Können gewonnen. Hab Dank für die schönen Tage, sie bleiben uns eine der schönsten Erinnerungen. So beginne denn, begleitet von unseren besten Wünschen, Deinen neuen selbstgewählten Lebensweg.

Gott, zu dem wir täglich darum flehen, möge Dich schützen & behüten und Dich gesund wieder zu uns zurückführen. Deine zurückgelassenen Steine habe ich gleich nach Deiner Anreise in ein festes Kistel gepackt & steht eingelagert in unserer Eckstube, Deiner glücklichen Rückkehr harrend.

All Deinen Lieben bringe meine herzlichsten Grüße und nimm auch recht viele entgegen von Deiner

allen treuen

Groß[...]

Oberarzt Heinrich Luft an seine Frau Emmy in Gießen

Schwabenheim, den 16.8.1914

Mein liebes Emmychen!

Wieder sind einige Tage verflossen u. wir sitzen immer noch hier in Schwabenheim. Wir kommen augenscheinlich an die Reihe, wenn es Herbst u. recht schlechtes Wetter ist. Deine Briefe sind immer etwas sentimental u. mutlos gehalten. Das hat keinen Zweck. Auch wir wissen, welche Greuel der Krieg bringt, aber darüber darf man nicht nachdenken. Es gilt nur eins, möglichst viele dieser engl., französ. u. russischen Hunde ums Leben zu bringen, aber schade, die Richtigen, die Anstifter, die russ. Grossfürsten, Poincaré u. die englische Saubande bekommt man doch nicht. Diese niederträchtigen gemeinen Lügen ärgern mich am meisten. Übrigens sind wir sehr gut über alles orientiert. Wir erhalten um 10 Uhr früh schon die beiden Morgenblätter der Frf. Zeitung u. abends 6 Uhr den Mainzer Anzeiger. Ich wäre Dir aber dankbar, wenn Du mir den Giessener Anzeiger senden würdest, vielleicht jeden Sonntag von der verflossenen Woche zusammen.

Also nur Kopf hoch! Nur eins würde mich ärgern, wenn ich fallen würde, ohne vorher wenigstens 1 Dutzend dieser Hallunckenbande ums Leben gebracht zu haben. Dies ist der schmählichste Krieg, den die Weltgeschichte aufzuweisen hat u. es giebt keine Gerechtigkeit mehr, wenn die Strafe hierfür ausbliebe. –

Was macht unser kleiner Liebling? Geht es ihr wieder besser? Schreib mir gleich darüber. Sie muss ja goldig eben sein, so gerade im schönsten Alter. Hoffentlich habe ich auch noch etwas von dem kleinen Geschöpfchen, auf das ich mich immer so gefreut hatte.

Du fragst über meine Ansicht über die Weltlage? Ja, da haben wir und hier noch wenig Sorgen gemacht, wir können doch nichts ändern. Es giebt für Deutschland eine harte Nuss, das ist sicher u. wird auch lange dauern, aber wie es ausgeht, kann man nicht sagen, hoffentlich gut. –

Nochmals herzlichen Dank für das reizende Bild. ich muss es öfters betrachten, war doch ein schöner u. lieber Gedanke von Dir, mein Schatz. Sind auch alle gut getroffen. – Ich weiss nichts mehr, was Du mir schicken sollst, ich habe eigentlich alles, was ich brauche.

Deinem Vater danke ich sehr für seine Bemühungen betr. Herz. Ist doch gut, dass wir energisch vorgingen, obwohl ich eigentlich nicht glaube, dass uns Herz beschwindeln wollte. Aber Vorsicht ist immer gut. – Wenn Du mir etwas schicken willst, liebes Emmychen, so wäre es vielleicht etwas Schokolade u. ein paar Bonbons; Sonst wüsste ich wirklich nichts. – Hast Du mal was von Offermann gehört?

Leb wohl, lieber Schatz! Mach Dir keine Sorgen, sei vergnügt u. heiter u. verkriech Dich nicht in Eure 4 Wände. Das hat alles keinen Wert u. ändert keinen Strich an der Sache.

Mit einigen Küssen u. in Gedanken stets bei Dir u. Mausi

Dein Heini

Grüsse alle Lieben herzlichst.

Ich habe noch keine Bestätigung der zuletzt abgesandten 300 M. Die sind doch hoffentlich angekommen.

Kriegsfreiwilliger Ernst Fricke an seine Familie in Conthil, Lothringen

Detmold, 18. August 1914

Liebe Eltern und Geschwister.

Glücklich sind wir nun alle Samstag Nacht gegen ½ 2 Uhr hier eingetroffen. Eine Fahrt war das wie ich wohl sobald keine mehr mitmachen werde, ausgenommen diejenige in 6 Wochen, wenn es zurück vor den Feind geht. Wir fuhren Freitag morgen von M. ab über Bensdorf, wo mich keiner der Assistenten erkannte, Saaralben, wo ich Bahnmeister Breyer traf, der eitel Freundlichkeit u. Liebenswürdigkeit war, Saargemünd (1. Futterstation), Neunkirchen, Blieskastel, Homburg, Worms, Frankfurt, Fulda, Göttingen, Northeim, Elms [?], hierher. Es liegen noch eine ganze Reihe anderer Stationen dazwischen auf denen wir von der Bevölkerung Kaffee, Brote, etc. erhielten. – Der Kaffee war gewöhnlich nach Sachsenart gemacht. Es gab überall eine derartige Menge, daß es großer Not bedurft hätte, um nicht satt werden zu können. Um die Mittagszeit gab es gewöhnlich etwas warmes, Erbsen mit Speck. Zum guten Glück war es mir vergönnt mit noch 3 andern in 2. Klasse zu fahren, sodaß wir nachts sehr gut schlafen konnten. Die Leute zeigten überall eine Begeisterung ohnegleichen. Die Wacht am Rhein, etc. wurde gewiß an die 20 mal gesungen. Die Wagen, in denen Truppen befördert worden waren, zeigten die sonderbarsten Aufschriften wie »Einladung zum Ball im »Moulin Rouge«« »In Paris in 14 Tagen« oder »Jeder Schuß ein Ruß, jeder Stoß ein Franzos« oder »Die Russen sind alle Verbrecher, Ihr Herz ist ein finsteres Loch, der Franzos ist nicht viel besser Wichs kriegt er doch« und eine Reihe ähnlicher.

Wie Euch schon auf einigen Karten mitgeteilt, sind wir ca 30 Freiwillige lauter Mörchinger, sodaß es an Kameradschaft nicht fehlen wird. Detmold ist nun eine sehr schöne Stadt, hat ca 15 000 Einwohner, 1 Bataillon Militär. Jetzt liegt allerdings bedeutend mehr da. Es sind verschiedene Ersatzdepots hier, sodaß täglich Truppen kommen und gehen. Was mir hier aufgefallen ist, ist das, daß noch nicht sämtliche jungen Leute eingezogen sind, wie bei uns. Aber in den nächsten Tagen erfolgt auch das. Einquartiert sind wir vorläufig in einer neuen Mädchenschule die durch die Leute sozusagen demoliert wird. Wir schlafen da auf Stroh, ich habe mich sehr schnell daran gewöhnt. Es geht auch das, wenn man müde ist. Heute, am Sonntag erhielten wir nun Kleider, Tornister etc. und da gab es eine Enttäuschung. Aus Mörchingen waren wir Freiwilligen in schöner, neuer feldgrauer Uniform ausgezogen. Ja und hier mußten wir alles gegen alte blaue austauschen. Morgen geht dann der Dienst los. Wie das wird, weiß ich noch nicht. Eingeteilt in 4 Kompagnien bin ich in der dritten, habe da einen sehr angenehmen Kompagnieführer-Feldwebel, sodaß wohl alles gut gehen wird.

Nun wie geht es Euch denn? Wie geht es Hermann? Wir hofften unterwegs immer von einem Gefecht bei Dieuze zu hören, doch scheint es anders gegangen zu sein. Ich hoffe auch jetzt noch, daß alles ohne sehr große Verluste für sämtliche [...] ablaufen wird. Hebt doch bitte auch die Metzer Ztg. soweit wie möglich auf, damit man später einmal die Sache verfolgen kann.

Ist der Bahnbetrieb wieder aufgenommen? Oder ruht noch alles? Funktioniert die Post unregelmäßig? Ist etwas von meiner Firma eingetroffen?

Schreibt mir bitte bald recht eingehend wie es Euch geht, was es Neues gibt, ob ihr alle Karten, ich glaub ca 10, erhalten habt. Hat Mme Knest ihre Karte erhalten?

Meine Adresse lautet:

Einj. Fricke ? Komp. Inf. Regt 17

Ersatzdepot Detmold

Nun seid bestens gegrüßt und geküßt von Eurem Ernst

Mit Wäsche werden wir ja versorgt. Ich muß einmal sehen wie es mit Taschentüchern und Strümpfen wird, darüber schreibe ich Euch noch.

Unteroffizier Hermann Dröge an Ida Mohrhoff in Hannover

Louveigné (vor Lüttich) 20.8.14

Liebe Ida! Noch immer Ruhe auf der Linie. Eine fruchtbare Hitze. Und die Berge, die Berge. Das Marschieren strengt furchtbar an. Aber nur immer tapfer drauf los. Lüttich ist gefallen. Allerdings ohne unsere Hilfe. Wie sieht’s denn in Rußland, Osterreich usw. aus. Schick mir doch mal einige Zeitungen oder Ausschnitte. Man erfährt hier nichts.

Herzl. Grüße

Dein Hermann

Auf frohes Wiedersehen

Ersatzreservist Heinrich Muhl an seine Familie

Lörzweiler 21 Aug. 1914

Liebe Eltern u Schwester! Wie Euch geschrieben sollten wir nach Biebrich kommen, aber auf Befehl von Mainz bleiben wir wieder in Lörzweiler. Herr Pfarrer hat mir auch geschrieben, Willy seine Karte die er am 10 abgeschickt hat, habe ich erst am 19 erhalten, ist wahrscheinlich liegen geblieben. Ich habe zwei Tage keinen Dienst mitgemacht, denn bei Appell hieß es Landwirte vortreten, da bin ich vorgetreten. Ich und ein Land. aus Unter-Schwarz Kr.Lauterbach, wir wurden zu einem Landwirt, wo wir unser Büro haben, kommandiert unser Feldwebel sagte zu mir geht nur hin, da seid ihr gut aufgehoben. Wein kann man trinken so viel als einer Lust hat. Die Bewohner trinken ihn statt Wasser. Den 17ten waren wir durch und durch naß, aber unsere Hausfrau gab uns trockene Kleider. Heimbach hat den Husten, ich bin noch gesund was ich auch von Euch hoffe. Habt ihr das Geld von der Kuh u. das Kalb verkauft. Einen Rock haben wir bekommen, wahrscheinlich bleiben wir noch eine Zeit in Lörzweiler. Also haltet Euch munter, was bei mir auch der Fall ist. Euer Heinrich

Ludwig Hufnagel an seine Frau Maria

Soigenloih [Soigenlach?], den 23.8.14

Liebe Maria!

Deine Karte habe ich erhalten wofür ich bestens danke. Es geht mir noch ganz gut was ich von Euch auch hoffe. Es ist ein schöner Sommerurlaub doch etwas stramm es geht jeden morgen um ½ 5 Uhr auf ¼ 6 wird angetreten, dann geht an die Arbeit soviel habe ich in meinem Leben noch nicht geschippt wie in diesen Tagen bis abends 6 Uhr ungefähr 2 ½ – 3 Stunden Pausen dazwischen. Es gibt fast jeden Mittag Erbsensuppe mit Büchsenfleisch ist aber sehr gut. Einmal hatten wir Kartoffeln, abends gibt es Wurst auch mal Heringe. Wielange wir noch hierbleiben in dem Neste wissen wir noch nicht. Was macht Bernhard er soll froh sein, daß er noch zu Hause ist. Wir haben viele dabei die auch erst Pferdetransport mitgemacht haben. Kathrinchen wird jetzt auch wieder zu Hause sein da könnt Ihr Eure Arbeit doch fertig machen. Was macht Frau Heinze? Habe Heinrich eine Karte nach Berlin geschrieben. Grüße F. H. von mir. Heut mittag müssen wir auch wieder arbeiten trotzdem, daß es Sonntag ist. Es ist gut daß wir zu 6 beisammen sind, wir schlafen zusammen & arbeiten zusammen das ist fast wie zu Hause. Ich will jetzt schließen habe noch versch. zu machen mein Paket noch packen das ich nach Hause schicken will. Knöpfe annähen Stiefelschmieren & s. w. Sei für heute herzl. gegrüßt von Deinem

Ss. [?] Ludwig

Grüße die beiden Kleinen & sage ich käme bald wieder.

Gruß an Deine Eltern.

Bernd & Kathrinchen alles was nach mir fragt.

Feld-Unterarzt Richard Speisebecher an seine Frau Liese in Oberau

Kiel, 24.VIII. 14

Meine liebe Liese!

Ich danke Dir herzlich für Deine guten und tapferen Briefe. Zunächst will ich Dir schildern, wie es mir ergangen ist: das Artillerieregiment in Bahrenfeld bei Altona würde mich vielleicht als Motorfahrer einstellen. Der Major dieses Ersatzbataillons in Altona erklärte mir, er würde mich Dienstag früh als Freiwilliger einstellen. Beim Korpsarzt erfuhr ich, dass ich als Arzt nicht eingestellt würde. – Was tun? Der Entschluss ist mir nicht leicht geworden, das muss ich schon gestehen. Wenn ich einmal mit der Waffe diene, dann soll es für mich keine Rücksicht geben. Schließlich war ich soweit: Morgen trete ich als Gemeiner beim Bataillon ein. Goebell zog ein langes Gesicht, erklärte aber, er wolle mir nichts in den Weg legen. Nach Ministerial-Erlass werde ich vielleicht sogar das Gehalt und die Assistenzarzt-Stelle behalten. – Schön! Abschied vom Krankenhaus. Ich ging zum Büro, um mir einen Fahrtausweis nach Hamburg geben zu lassen.

»Was? Praktischer Arzt? Sie kriegen keinen Ausweis!« Nanu?? »Sie bleiben hier in Kiel, melden sich morgen ½ 10 Uhr, werden 4 Wochen ausgebildet und gehen als Feldunterarzt los.«

»Zu Befehl, Sie könnten mir nichts Besseres sagen!«

Also werde ich nun sehen, wie es mir morgen früh ergehen wird.

Von Deinen Nachrichten hat mich am meisten der Bericht über Frau Vollnhals ergriffen. Sie ist doch merkwürdig vom Unglück verfolgt. Was ist nun mit ihren Eltern geschehen? Hoffentlich nimmt sie Deine Einladung nach Oberau an. Meine besten Grüße, wenn Du ihr schreibst. – Frau Behn? Sie bedauerte, als ich sie zuletzt sah, aufs lebhafteste, dass sie nicht als Krankenschwester ausgebildet sei. Sie wäre gern ins Feld gezogen!

Wegen des Segelbootes erkundige Dich bei Schiffbau-Ing. Zenetti, Frederikenstrasse, Ecke Margarethenstrasse, 2. Et. Er ist mittags gegen 2 Uhr vielleicht am sichersten zu treffen. Evtl. auch Herrn Schiffbau-Ing. Black, Peterstrasse (Adressbuch).

Wenn Tannismut irgendwelche Wirkung haben soll, so musst Du 2-stündlich mindestens ½ Tablette geben.

Meine Stimmung ist trotz Metz noch immer zweifelhaft. Die Russen sind tief in Deutschland bei Insterburg. Aber Führung und Soldaten sind offenbar zuverlässig. Es muss schon gehen. Schönherr liegt an der russischen Grenze. Von Andrian und von Lenk weiß ich ebenso wenig wie von meinem Bruder Kurt.

Die Brotschneidemaschine habe ich bezahlt! Ich weiß mich freilich nicht mit Sicherheit zu entsinnen. Lass es nur jetzt. Sag: Mein Mann ist Soldat!

Tausend herzliche Grüße

D.R.

Annie Hennig an Trudel

Aschersleben d. 26. Aug. 14.

Mein geliebtes Trudel!

Warum läßt Du liebes Mädel nichts von Dir hören, wo Du doch weißt, daß ich Dich so lieb habe? Der Vater schreibt Du leidest an der Kopfrose, wie ist das möglich, wo hast Du Dir das geholt, das liebe schöne Haar ist Dir gewiß ausgegangen, wie leid mir das thut. Wie traurig ist es doch jetzt um uns alle bestellt, unsre armen Männer u. Brüder, wie schön wäre es wenn Gott sie uns bald zurück geben würde, wenn der böse Krieg vorbei wäre. Wo ist denn Dein lieber Oscar schreibe mir doch bitte seine Adresse. Gott erhalte ihn Dir und Deinen Kindern. Wie geht es Dir und Deinen prächtigen Buben, schreibt bald an mich. Ich habe mich dem roten Kreuz zur Verfügung gestellt und lerne fleißig, am Ende d. Woche kommen unsere ersten Kranken. Außerdem bin ich in der Volksküche beschäftigt und der Haushalt dazu, da komme ich wenig zum nachdenken, sonst könnte ich es nicht ertragen Ernst in Gefahr zu wissen. Ernst Adr. ist Oberveterinär Dr. H. IV Armeekorps, 7. Division. Schweres Reiterregi. No 1, 32. Eskadron. Sei Du u. Deine Buben innigst geküßt von

Deiner treuen Annie.

Wenn ich auch nicht viel schreibe denken thue ich alle Tage an Dich.

image

image

Unbekannt an Hans Oebel

Düsseldorf, den 27.8.14.

Mein lieber Hans!

Viele Grüße aus der Ferne

send ich Dir gar zu gerne

doch viel schöner wär es Hier

wäres Du jetz auch bei mir.

Wie ist das, das Du so wenig schre[?] warte jeden Tag auf Dein

schreiben. In der Hoffnung das du noch gesund und munter bis

verbleibt Dir mit viele Grüße Deine Dich liebende Agnes.

Leb wohl bis auf Wiederseh. Gott sei mit Dir

Gruß von Eltern u Geschwister.

Musketier Johannes Haller an seine Eltern in Sorsum bei Hildesheim

30. August 1914

Liebe Eltern!

Teile Euch mit, daß ich immer noch gesund und munter bin. Ich habe noch immer Glück gehabt. Wir haben 4 Tage andauernd im Gefecht gelegen wo sehr viele gefallen sind. Von der 9ten Comp. allein 150 Mann tot und verwundet. Die Geschosse und Granatsplitter pfiffen uns man immer so um die Ohren. Es war als wenn die Welt untergehen sollte. Die Franzosen gehen aber immer zurück. Wenn wir auf 200 m ran kommen, verlassen sie Ihre Schützengräben und reißen aus. In Nahkampf sind wir noch gar nicht mit Ihnen gekommen. Es sind auch sehr viele Turkos dazwischen, da muß man sich vor in Acht nehmen. Die bleiben in ihren Gräben liegen und stellen sich tot und wenn wir drüber weg sind, schießen sie wieder hinter uns durch. Die 9. Comp. ist augenblicklich ganz aus dem Gefecht heraus. Wir haben einen Transport Gefangenen nach hier gebracht und liegen hier nun schon 3 Tage in Gembloux und warten auf weitere Befehle. Hoffentlich dauert es nicht mehr allzulange, daß wir wieder zu unserem Regiment kommen. Von hier aus gehen alle Tage Züge mit Gefangenen nach Deutschland. Joh. Lange und Th. Lange sind beide verwundet, aber beide nicht allzu schlimm. Ed. Löbke ist auch hier. Von den anderen Sorsumern weiß ich nichts. B. Schwetje habe ich am vorigen Montag zum letzten Male getroffen, da waren wir auch im Gefecht.

Liebe Eltern, hoffentlich seid auch ihr noch gesund und munter. An mich geschrieben habt ihr wohl noch nicht. Ich habe noch nichts bekommen. Hier sieht es böse aus. Ganze Dörfer sind niedergeschossen oder niedergebrannt. Die ganze Ernte liegt draußen und wird nicht eingebracht. Schweine, Kühe und Pferde laufen alle draußen rum. Hoffentlich ist der Krieg bald zu Ende. Die Franzosen geben schon bei kleinem nach. Seid herzlich gegrüßt von Euerm dankbaren Sohn Johannes.

Wir liegen noch in Belgien.

Das Regiment ist aber schon über die Grenze in Frankreich.

Gefreiter Franz Marc an seine Familie in Ried

Montag Nachmittag 31. Aug. 14

Gruß aus Straßbourg.

Riesige Gefangenenkolonnen, unglaublicher Betrieb am Bahnhof. Hier ist schon wirklich Kriegstimmung, von hier geht es abwärts, wohl gegen Belfort, – mein Wunsch geht also in Erfüllung. Herzl.

Grüße Euch

Euer Franz

Oberleutnant Walter Kleemann an seine Frau in Ludwigsburg

1.9.14

Eine requirierte Karte, die mir eben Spürr schenkte um sie an Dich zu schicken. Heute war es nicht so anstrengend. Herzl. Grüsse auch von den anderen Herren und einen herzhaften Kuss

Walter

Unteroffizier Heinrich Latz an seine Frau in Saarwellingen

Chateau-Salins 2/9.14.

Meine Liebste!

Heute hier nach kurzer Bahnfahrt und 6 Stunden Marsch angelangt sendet Dir herzlichste Grüße & Küsse Dein

Heinrich

Der Donner der Kanonen dröhnt und bald werden wir die Feuertaufe erhalten und so Gott will glücklich überstehen. Wir liegen an der Grenze, 50 km südl. Metz

Unteroffizier Hermann Dröge an Ida Mohrhoff in Hannover

7/9 14 Auf dem Schlachtfeld in stärkstem Artilleriefeuer: Meine liebe, teure Ida! ich weiß nicht, ob ich heute noch lebend davonkomme. Sollte ich fallen, so kannst Du versichert sein, daß meine letzten Gedanken bei Dir und meinen lieben Eltern waren. Es ist schrecklich. Die Erde bebt. Ich habe heute wirklich beten gelernt und fühle mich sehr erleichtert und werde mit voller Stärkung und getrost in den Tod gehen, wenn es sein muß. Sollte ich keine Karte mehr schreiben können, so teile den Inhalt dieser Karte bitte meinen Eltern mit. Kannst Du mir nicht mitteilen wie es meinem Bruder Heinrich geht, ich habe noch keine Nachricht von ihm?

Dein Hermann

Gefreiter Paul Schwarz an Gottlieb Schwarz in Feuerbach bei Stuttgart

Triaukur [Triaucourt] 8.9.14

Die besten Grüße sendet vom Kriegschauplatz Paul

bin noch gesund

Artillerist Leopold Wolf an seine Eltern in Wien

Maubeuge, 9. Sept. 14

Liebste Eltern!

Nach dem Fall von Maubeuge komme ich wieder dazu Euch etwas von mir hoeren zu lassen. Es ist dies die letzte Festung in Nordfrankreich die sich noch gehalten hatte. Wie bei Luettich und Namur war auch hier der Sonntag unser Glueckstag an welchem die Entscheidung fiel. Gestern war grosser Abtransport der 48 Tausend Gefangenen der kapitulierten Stadt und hierauf feierlicher Einzug der siegreichen Truppen, wir an der Spitze der schweren Artillerie.

Momentan sitze ich in einem Vororte der Stadt wo wir bequartiert sind, in der Naehe unserer letzten Batteriestellungen; Wohin es jetzt geht weiss man noch nicht.

Uns bleibt wahrscheinlich nurmehr Paris, Antwerpen oder irgend eine Festung des oestlichen Frankreich.

Leider haben wir noch keiner eine Nachricht aus Oesterreich erhalten und so weiss ich eben auch nicht wie es Euch geht und hoffe nur das Allerbeste. Mir geht es sonst recht gut, dass man im Krieg natuerlich viel Arbeit hat ist ja erklaerlich. Vor allem ist die Verpflegung sehr gut denn das Land ist sehr reich.

Ich warte schon von einem Tag auf den andern dass endlich der lang ersehnte Postwagen erschiene aber umsonst.

Herzlichste Gruesse und baldiges Wiedersehen

Euer Pollo

Oberleutnant Julius Lauth an seine Frau Hedwig in Osnabrück

Wesel, den 13. Sept. 1914

Meine liebe Hedwig!

Heute morgen war ich von 10–3 beschäftigt. Nachmittags war ich bis gegen 7 Uhr bei Dr. Venselmann. Sie bedauerten sehr, daß Du nicht mal vorgekommen wärest. Inzwischen habe ich von der Bank Nachricht erhalten, daß die Vollmacht 1,50 Stempel kostet. Gestern kam beiliegende Rechnung von Schanebayr[?], die Du wohl bezahlst. Anliegender Zeitungsausschnitt wird Dich interessieren. –

Es freut mich sehr, daß es Dir gut geht u. daß unsere liebe Erika sich so prächtig entwickelt. Wie gerne würde ich sie mal wiedersehen! Nun hoffentlich kommt es in nicht allzuferner Zeit mal dazu. Auf Urlaub kann ich allerdings vorerst nicht rechnen, es sei denn, daß der Krieg eine entscheidende Wendung nimmt. Wenn wir nur bei Paris u. Lemberg gewinnen.

Hier sind jetzt über 700 deutsche Verwundete und in Friedrichsfeld 14 000 kriegsgefangene Franzosen u. teils auch Engländer. Die Franzosen sind größtenteils aus der Festung Maubeuge. Am Freitag war ich mal da in Friedrichsfeld in ihrem Barackenlager, das mit einem hohen Stacheldrahtzaun umgeben ist. An den Ecken stehen 4 Maschinengewehre. Gestern wurden die französischen Offiziere, über 400 – nach Torgau transportiert, alle möglichen Waffengattungen. Ein englischer Offizier, der aus dem Lazaret entlassen war, wurde mittransportiert. Ihn begleitete die Menge mit Rufen, während sie beim Vorbeikommen der Franzosen ganz ruhig war. Es waren viel ältere dabei. Die Franzosen sehen ganz gut aus. –

Bei Vennemanns wurde ein sehr interessanter Brief vorgelesen, den ein Schwager von Frau V., Stabsarzt aus Lüttich geschrieben hatte.

Von hier sind in den letzten Tagen viele Soldaten nachgeschickt. Vor einigen Tagen war die Nottrauung eines Leutnants, der erst auch mitsollte, nachher aber noch blieb. Es ist doch eine aufregende Zeit, voll Spannung u. Erwartung. Hoffentlich kommt es nicht zu einem Winterfeldzug. Seit gestern hat es hier in Strömen geregnet. Die armen Soldaten draußen!

Meine liebe Hedwig, schone Dich nur, vor allem nimm Dich in Acht wegen Deiner Erkältung. Laß sie nicht chronisch werden. Was wäre es doch schön, wenn wir bald wieder in Essen zusammen sein könnten. Aber das wird doch noch länger dauern.

Hoffen wir.

Herzliche Grüße u. Küsse

an Erika u. Dich

Dein Julius.

Leutnant Alfred Walter Heymel an Karl Anton von Plettenberg

[maschinenschriftlicher Durchschlag]

18. September 1914.

Verehrter und lieber Pletti!

Sie haben mich durch das Freundliche und Ausgleichende, Anerkennende und Gutmachende, was Sie mir bei unserer letzten kurzen Begegnung in Oldenburg sagten, so entlastet und glücklich gemacht, dass ich oft mit grosser Dankbarkeit an Sie, während des für mich leider allzu kurzen Feldzuges, den mitmachen zu dürfen ich das grosse Glück hatte, gedacht habe. Aber wenigstens habe ich in den fünf Wochen, die ich draussen war, das Grösste und Schönste erlebt, was ein Mensch erleben kann, ganz vorn bei der Vorhut zuerst, den Siegeslauf der Bülow’schen Armee bei den Schlachten Namur, St. Quentin, Montmirail, engl. Gefechte bei Etreux, herrliche Patrouillenritte und schliesslich eine Woche bei der Division als Ordonnanzoffizier, bei einem der fähigsten und angenehmsten Militärpersönlichkeiten, die ich bis jetzt kennen gelernt habe, einem Hauptmann von Blomberg, Chef des Stabes 19. Res. Div. Leider auf des Oberstabsarztes, des Divisionsgenerals und Lewinskis Drängen habe ich mich nach langem Wehren am 9. September Mittags 1 Uhr, als die Schlacht bei Montmirail abgebrochen wurde, doch entschliessen müssen, mich vorläufig krank zu melden, denn asthmatische Beschwerden plagten mich und beeinträchtigten meine Dienstfähigkeit. Wunderbarerweise, zum grössten Erstaunen meines Bremer und hiesigen Arztes, haben Lunge, Herz und Rippenfell tatsächlich durchgehalten, trotz der Strapazen und trotzdem seit März meine körperliche Höchstleistung eine halbe Stunde Spazierengehen und eine halbe Stunde Schrittreiten in den Dünen gewesen war. Nun bin ich hier in Berlin, um mich aufzufrischen, möchte natürlich sobald wie möglich wieder raus. Ob ich fähig sein werde, einen weiteren Feldzug vorn beim Regiment durchzuhalten, wird fraglich sein, im Frühjahr bin ich sicher wieder so weit. Glauben Sie nun, lieber Plettenberg, dass es eine Möglichkeit für mich gibt, ev. in Belgien bei Gouverneur als Ordonnanzoffizier oder irgend etwas unterzukommen? Ich beglückwünsche Sie übrigens auf das Allerherzlichste und Erfreuteste für Ihren schönen Posten als Adjutant des Gouverneurs. Vielleicht lassen Sie mich gelegentlich durch eine Zeile wissen, ob überhaupt eine Möglichkeit zur Anstellung für mich in etwas ruhigeren Regionen, mit einem Dach über dem Haupte, besteht. Ich spreche französisch mässig, englisch aber geläufig. Ich bin eigentlich seit meinem Einjährigenjahr immer als Ordonnanzoffizier bei allen Gelegenheiten verwandt worden und wäre auch wohl, wenn ich nicht meinen Atem verloren hätte, bei der Division geblieben; aber bis ich soweit bin – 1–3 Monate wird es doch wohl dauern, wenn ich die Untätigkeit und das Warten mit den Nerven aushalte – wird sich viel geändert haben, jedenfalls wäre ich für einen Ratschlag sehr dankbar.

In Bremen sah ich den prächtigen Nettelbladt, dem Sie ein so schönes Unterkommen gewährt haben. – Hier in Berlin und in Bremen bin ich mit soviel Freundschaft und Liebe empfangen worden, dass ich ganz beschämt bin. Ich wollte nur, ich sässe bald wieder in einem Transportzug zum Heere.

Alles Beste und sonstige Glück Ihnen in Belgien

Ihr Ihnen aufrichtig und dankbar ergebener

Vielleicht macht es Ihnen Spass, meine Briefe aus dem Felde einmal durchzufliegen, die ich an meine Freunde geschrieben habe. Sie sind alle im Augenblick und im Jubel des Vorwärtsdringens entstanden. Wenn Sie keine Zeit haben, vernichten Sie sie bitte.

Verleger Oskar Eulitz an Walter Flex

Lissa i. P., den 21. September 1914

Mein lieber und hochverehrter Herr Doktor!

Mit grosser Trauer hat mich die Nachricht vom Heldentod Ihres Bruders erfüllt. Gefühle will ich Ihnen nicht in Worten ausdrücken, dazu ist die Zeit zu ernst und zu gross und es fliesst viel zu viel des edlen deutschen Blutes.

Auch Sie werden sich, wie alle Familien, mit dem Verluste zur Ehre des Vaterlandes abfinden müssen.

Der alte treue Gott der Deutschen wird uns weiter helfen. Ihrem Wunsch des Aufdrucks der Widmung bei der 2. Auflage Ihres »Volkes in Eisen« werde ich nachkommen und lasse Ihnen Korrektur senden.

Ich stelle es Ihnen ganz anheim, wenn Ihre Stimmung es Ihnen erlaubt, an das »Posener Land« zu denken. Vielleicht bringt Sie die Arbeitstätigkeit auf literarischem Gebiete neben der anstrengenden Feldzugstätigkeit über den Verlust leichter hinweg.

Ihren deutschen Gruss als einen Rachegruss für den toten Bruder erwidernd, verbleibe ich

Ihr stets ergebenster

Oskar Eulitz

Georg Apel an seinen Vater

23. September 1914

Lieber Papa!

Zu allernächst will ich Dir nun einmal herzlichst zum Geburtstage gratulieren. Wenn dieser Brief auch wahrscheinlich etwas später bei Euch eintreffen wird, so nimm doch an, daß ich an Deinem Geburtstage stets in Gedanken bei Dir sein werde.

Unsere Fahrt bis hierher Lamortheau in Belgien war sehr schön. Wir sind das Lahntal abwärts gefahren über Marburg Weilburg, nach Koblenz. Von dort zum Essen ein Stück Rheinabwärts bis Engers. Dann wieder zurück nach Koblenz. Von dort weiter, das Moseltal aufwärts, über Trier nach Luxemburg. Eine wundervolle Gegend, das Lahn-, Rhein- und Moseltal. Kurz hinter Luxemburg (Stadt) gab es plötzlich einen kolossalen Stoß, und der Zug stand still. Wir hopsen natürlich aus dem Wagen heraus, und sehen, daß unsere 1. Lokomotive auf einen anderen Zug aufgefahren war. Unsere Lokomotive war etwas eingedrückt, der letzte Wagen von dem anderen Zug war aus den Gleisen gehoben. Durch den Aufprall waren in der Mitte von unserem Zuge auch 2 Wagen etwas aufeinander gebockt, aber zum Glück hat es niemandem etwas geschadet. Die kaputten Wagen wurden ausgehängt, wir umrangiert, und dann ging es weiter. – Unterwegs merkte man ganz deutlich: je näher man in Deutschland an die Grenze kam, umso größer wurde der Jubel der Bevölkerung. Sobald wir aber nach Luxemburg kamen, ließ das nach. Jetzt in Belgien ist damit natürlich ganz Schluß. Jetzt eben sind wir an einem Schlachtfeld vorbeigefahren. Massengräber, weggeworfene Sachen, erbeutete und zerschossene Geschütze, Gewehre und ein gänzlich zerschossenes größeres Dorf waren zu sehen. Jetzt augenblicklich sind wir noch in Belgien. Die nächste ist französisch. Es heisst, daß wir vorläufig bloß zum Besetzen von Festungen etc. genommen werden sollen. Ob das stimmt, wissen wir natürlich nicht. Entschuldige bitte die schlechte Schrift. Es geht aber nicht anders. Als Unterlage habe ich mein Kochgeschirr. Mit Bleistiftspitzen muß man auch sparsam sein. Die Liebesgaben, die wir bis an die deutsche Grenze reichlich bekommen haben, haben jetzt aufgehört, aber es läßt sich schon noch ganz angenehm leben.

Also nochmals meine herzlichsten Glückwünsche, Dir lieber Papa, und die besten Grüße und Küsse Dir und allen anderen sendet Dir Dein Dich liebender tr. Sohn

Georg

Oberleutnant Julius Lauth an seine Frau Hedwig in Osnabrück

Wesel, den 27. Sept. 1914

Liebe Hedwig!

Heute nachmittag habe ich mir mal mit einem Fußartillerieoffizier die Feldbefestigungen jenseits des Rheins angesehen. Jetzt sitze ich zu Hause, um Deinen lieben Brief, den ich gestern abend erhielt, zu beantworten. Heute abend bin ich bei dem aktiven Kollegen eingeladen. Man freut sich jedesmal, wenn wieder ein Sonntag herum ist. Die Stadt wimmelt dann nur so von auswärtigem Volk, das zu Fuß, im Auto, Wagen, Rad hereinströmt wohl auch angezogen von dem Gefangenenlager in Friedrichsfeld. Vor einigen Tagen traf ich zufällig L. R. Dröker hier, der auch im Auto gekommen war. Er erzählte, daß Staatsanwalt Meyer gefallen sei, Plesser habe das eiserne Kreuz erhalten. Als einer der ersten von den Essener Kollegen fiel Assessor Brölemann.

Gestern nachmittag war ich einige Stunden am Bahnhof. Erst wurden 600 von dem Ers. Bat. Res. 39 u. 57 abtransportiert, dann eine Landsturmpionier Kompanie, mit deren Hauptmann wir viel zusammen waren. Man hat eigenartige Gefühle, wenn der Zug abfährt unter den Klängen der Musik

Ob es mir auch noch so geht, daß ich als Offizier eingezogen werde?

Gestern abend fuhr noch ein Ersatz. Landwehrregiment ab, vermutlich nach Metz. Wenn nur die große Schlacht in Frankreich bald entscheidend für uns gewonnen wird. Gott gebe es. Die Spannung und Erwartung, in der man ständig lebt, ist doch groß. –

Du magst recht haben mit der Weste. Aber eine wollene Weste ist zu dick. Der Uniformrock allein ist zu kalt. Ich dachte, wenn Du Strümpfe strickst, um Beschäftigung zu haben, könntest Du mir die seidene Weste nähen. Einstweilen habe ich sie ja wohl nicht nötig. Im Notfall werde ich sie hier wohl kaufen können, ebenso Strümpfe und Leibwärmer

Laß Du nur das Strümpfestricken, das liegt Dir doch nicht. – Mutter habe ich geschrieben. Sie schrieb, daß sie gar nichts hörte von ihrem neuen Mieter. Es wäre nicht angenehm, wenn der nicht einzöge. Sie schrieb auch, daß ein Vetter aus Bons[?] Vizefeldwebel, einen Schuß in die Schulter erhalten habe. Wo man hinhört, lauter Verluste. Der Krieg ist doch schrecklich. Gebe Gott, daß er bald siegreich beendet wird.

Dir und Erika alles Gute, meine Gedanken sind stets bei Euch

Dein Julius.

Gefreiter Max Lehmann an seine Frau Anna in Berlin

Wylkowyzki, Russland 28. Sept. 1914

Liebe gute Mama!

Wir haben heute einmal wieder Zeit u. vor allem habe ich Gelegenheit ein paar Grüße an Dich zu senden. Der Marsch nach hierher war intensiv aber nicht andauernd (3 Std.) und da ist man frischer; übrigens sind die Eindrücke aus dem letzten Quartier so nachhaltend, daß man immer noch daran zehrt (der Kost wegen, die Zigarren, den Hochgenuß und Tabak brachte). Wir zogen in unser jetziges Quartier am Sonnabend um 7 Uhr ein und zwar in ein Kino (Du siehst also Kulturfortschritt). Das Städtchen hat so 4–3 Tsd. Einwohner, Holzbarakken, die Einwohner die zurückgeblieben fast ausschl. Juden, schmutzige Wohnungen, erbärmlich kann man alles zusammen bezeichnen. Die Straßen sind gepflastert, aber welch ein Pflaster. Die Bürgersteige Holzbretter – Trothoir ziemlich verwahrlost – wie die Kleidung der Einwohner. Aber Geschäftsleute durch und durch, sie wissen jede Situation auszunützen. Wir haben seit 3 Wochen fast nur Rind u. Hammelfleisch Mittags erhalten, und da freut man sich wenn es heißt dort gibt es Schweinebraten oder Gänsefleisch. Einige Kameraden bestellten sich nun zum Mittag-Essen Suppe, Fleisch, Rote-Rüben Compott aber als es hieß bezahlen wurde manch einem Kamerad das Essen leid (2 Mark für ein Essen, das mit 80 Pf. reichlich bezahlt ist). Wir waren etwas praktischer: 2 Kam. u. ich hatten eine Gans gekauft und dieselbe kochen lassen, kam 2,70 und man hat auf einige Tage zum Früh- u. Abendessen etwas Schmalz. Butter gibt es nicht, aber ein £ Honig habe ich ergattert, und gestern abend habe ich ein gutes Glas Thee getrunken (die Russen verstehen Thee zu bereiten). Es wird auch privat Kaffee gekocht und während die Mütter kochen, stehen die Kinder von 5 Uhr früh und machen den »Anreißer«. Damit haben sie sich verrechnet, denn wir erhalten von der Komp. besseren Kaffee als den man mit 5 Pf. die Tasse bezahlen muß. Als wir am Sonnabend ein ¼ Stunde im Quart. waren, das hatten einige schon das Piano aufgespürt und Flöte und Klavier gab dem ganzen abend bis 0 Uhr ein rüstiges Stimmungsbild. Am Sonntag früh ½ 6 Uhr »Lobe den Herrn«. Übrigens war am Sonntag Nachmittag der erste Feldgottesdienst. Ein Unteroffz. v. 9 Rgt. hielt die Predigt, die nicht gerade allen Ansprüchen genügte, das beste war der Männergesang, und als dann zum Gebet der Czacko abgenommen, sah man so erst deutlich, daß die Jahre nicht spurlos vorübergegangen. Eben wird auf dem Piano »Carmen« mit Flötenbegleitung vom Stapel gelassen. Da erinnere ich mich, daß es in Berlin im Opernhaus und an einem Abend »Emmy Destine« uns einen unvergeßlichen Genuß bereitete. Wir haben jetzt das richtige Herbstwetter, Regen und so ist es mir nicht mehr möglich die Bewegung eines Kometen, im Sternbild des großen Bären weiter zu verfolgen; er ist bedeutend klarer sichtbar, besonders die Schweifbildung, oder der Halley’-sche. Neulich hatte ich Gelegenheit am 21.8. eine partielle Sonnenfinsternis durch die verräucherte Scheibe des Eisenbahnwaggons zu beobachten. Unter der Skizze des vorigen Quartiers bezeichne ich Dir den Standpunkt d. K.

Mir geht es ausgezeichnet, was einst alle Kameraden behaupten können u. ich bin noch nie so zuversichtlich in Bezug auf meine Leistungsfähigkeit gewesen als jetzt, weshalb ich Dich recht kräftig an die Soldatenbrust drücke und Dich u. die Kinder vielmals küsse

Euer Papa

Unteroffizier Hermann Dröge an Ida Mohrhoff in Hannover

Bermericourt (b. Reims), 30./9.14

Meine liebe, gute Ida!

Was habe ich Dir doch alles zu verdanken! Du bist doch wirklich herzlich gut. Na, hoffentlich kann ich Dir einmal einen Teil von Deiner Güte vergelten! Heute haben wir Ruhetag. das kommt uns allen sehr zustatten; vor allen Dingen aber meinem kranken Magen. Der macht mir doch mehr zu schaffen, als ich anfangs dachte. Ich esse seit ungefähr 8–30 Tagen fast nur Reis. Fett wird man nicht dabei, aber man kann sich sein Leben, wenn es sein muß, doch damit erhalten. Ich denke, mich bei einiger Vorsicht bald selbst wieder zu kurieren; denn die sanitäre Hilfe liegt leider in der Front sehr im argen. Die Ärzte sind infolge der großen Verluste übermäßig beschäftigt. Da ist der Kranke meist auf sich selbst angewiesen. Ich koche mir deshalb auch alles selbst. Es geht tadellos. Du wirst evtl. nachher meine im Felde erlernten Kochkünste noch bewundern können. Nur lassen uns die Franzmänner nicht immer in Ruhe, sodaß mancher Kochgeschirrinhalt ungar in den Sand wandern muß. Na, ist halt Krieg.

Soeben Deinen 1. Brief bekommen. Ich erhielt aber Deine 1. Sachen, mit Ausnahme des Rauchbaren. Das fehlt hier sehr. Danke, danke nochmals für alles. Schick bitte weniger Chokolade usw. aber etwas mehr zum Rauchen. Kauf einmal Zigarettentabak, ich drehe mir alsdann die Zigaretten selbst. Das macht Spaß und schlägt die manchmal unausstehliche Langeweile tot. Du mußt nämlich nicht denken, daß das Männermorden andauernd im Gange ist. Es gibt auch mal, wie jetzt, tagelange Ruhepausen. Jetzt wollen wir die 74er in der sogenannten Feuerstellung ablösen, bis Freitag abend zum Eintritt der Dunkelheit. Es ist dort etwas gefährlicher, weil man unmittelbar vor dem Feinde liegt. Aber der verhält sich auch ziemlich ruhig. Gott wird mich schon beschützen. Nun Schluß.

Herzl. Gruß und Kuß

Dein Hermann.

Grüß bitte alle. H

Emmy Luft an ihren Mann Heinrich

Giessen. Dienstag

6/10.14.

Mein guter treuer Schatz!

Ich war gestern Abend zu müde durch unsern kleinen Liebling, deshalb schrieb Dir Papa ein Kärtchen um Dir den Empfang Deines vom 26–28/9. geschriebenen lieben schönen Briefes u. den Empfang der 300 M zu bestätigen. Ferner erhielt ich Deine lieben Karten, die eine im Eilcouvert kam sehr schnell an, sie lief nur 2 Tage. – Auch kam der Kartenbrief mit der Angabe, dass Du nun zum 16. d. M. zugeteilt bist, u. setze ich nun meine ganze Hoffnung darauf, dass Du an die neu angegebene Adresse endlich Post erhälst u. auch die vielen an Dich abgesandten Sachen noch ankommen.

Deinem Wunsch entsprochen sende ich heute an Adolf’s Mainz ein Paket enthaltend die Joppe u. Wäschesack; also lasse es Dir dort sobald Du Gelegenheit hast abholen. Unterwegs sind Pakete zusammen im Werte von 14 Mk. Ich befragte mich schriftl. auf dem Reg. Büro in Mainz, ferner auf dem Feldpostamt in Frankf. u. nirgends erfährt man genauen Bescheid; überall behaupten sie, bei Ihnen seien die Pakete durchgekommen u. weiterbefördert. In sämtlichen Paketen sind Pulswärmer, Kniewärmer. Vielleicht kommen nun nach langen Irrfahrten die Sachen in Deinen Besitz; der Anfang ist ja in den 2 Karten gemacht u. kannst Du über unser Wohlfinden ohne Sorge sein. Der kleine Kobold ist [...] herzig in seiner ganzen Ausdrucksweise u. Auftreten; manchmal sogar ein bischen sehr energisch wie der Papa! Überhaupt das verschmitzte Gesichtchen, ganz Dein Ebenbild wenn Du in guter Laune unter fröhlichen Menschen. Aber leider war mir dies ja nicht oft beschieden, sondern nur ernste überarbeitete Züge von meinem guten Männchen. Aber es war alles doch tausendmal schöner u. besser, als wir eben die grauenvolle traurige ernste Zeit. Ich bin ein ganz anderer Mensch geworden, mir hat der harte Krieg, der mir mein bestes genommen, schon ein graues Haar gebracht! Die Sorge u. Angst um Dich lassen mich nirgends Ruhe finden. Gelt mein Schatz, sei vorsichtig bei allein Ritten u. Absuchen von Feldern, setze nicht zu sehr das Leben u. Deine Gesundheit auf das Spiel.

Ist dein Darmcatarrh wieder besser?