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Hermann Peter Piwitt

Jahre unter ihnen

Hermann Peter Piwitt

Jahre unter ihnen

Roman

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1.

KUNERSDORF

Der Rest vom Mond herunter. Sagen wir: Schrödingers Rinne. Oder Rille. Da ist noch keiner von ihnen. Da kommt so schnell auch keiner hin. Da hätten sie auch noch ein Stück zu laufen vom mare cognitum; mit ihren Rückstartgestellen und Flaggen, den Familienfotos und den in den Staub geritzten Initialen.

So ist man unter sich. Die bestürzende, fast mit Händen zu greifende absolute Schwärze des Taghimmels, der Luft, die plötzlich gleißende Helligkeit einer unerbittlichen Sonne, das Gefühl, in die Kindheit zurückversetzt zu sein beim Springen, beim Schweben, beim Weichfallen unter den Bedingungen verminderter Schwerkraft: Alles ist abgelegt unter die Bestände alltäglichen Verstehens und Hantierens. Intakt sind die Versorgungssysteme. Zu hören im Druckanzug das Zischen des Sauerstoffs und das unablässige Surren des zirkulierenden Kühlwassers. Nur die Stimmen der Bodenkontrolle sind verstummt. Die Funkverbindungen erloschen. So weit, so gut. Feiner grauer Staub, Steine, Krater. Ein Schlachtfeld. Auch das ist wie immer. In diesem Moment, da, von Rauchschwaden fast ganz verdeckt, am Horizont der Planet aufgeht. Zu erkennen von hier aus nur die südliche Polkappe mit den hineinragenden Kaps der beiden Kontinente, im Norden. Versteht sich.

Wenden wir uns ab. Alles ist gesagt. Getan. Es ist alles aufgegeben. Das ist nichts Neues. Das ist erledigt. Das war von Anfang an erledigt. Nie haben wir etwas anderes erwartet, als die Städte brannten. Nie etwas anderes, als daß sie wieder brennen würden. Wir klopften den Mörtel von den Ziegeln. Wir trugen sie zu den Sammelstellen und nahmen das Metall dafür entgegen. Das Metall, erinnert euch! und wie es sich anfühlte. Das Papier. Sein Glanz, seine Glätte, seine Festigkeit, die Farben, die Bilder drauf. Sein verheißungsvoller Duft. Das Geräusch, das es zwischen den Fingern machte. Ein Pergament, eine Urkunde jeder Schein. Und Kartoffeln gleich kiloweise, hatte man nur davon! Brot, Tabak, nahezu alles ließ sich dagegen eintauschen. Verstehe, wer will.

Beim Metzger in der Frühe der Herr Schreie. Oder Schreit. Ein Bein war ihm zu kurz. Und mit jedem Schritt tauchte sein Kopf hinter seinen frischen Auslagen auf und wieder ab. Darauf, daß ihm der hohe orthopädische Stiefel am Fuß von Geburt an gewachsen war, bestand der Vater. An seinem Kittel herum knöpfte Schreit, als fröre ihn. Er trennte das verlangte Viertel vom Gehackten und wog es mit seinen Gewichten aus. Er rollte die Ware mit der Linken in ein Stück Butterbrotpapier. Aus Daumen und Zeigefinger der Rechten formte er einen Kreis: Nicht wahr? Die Kälte in der Frühe! Das Säckl: Ganz klein! Er lachte.

Der Vater ließ sich herausgeben. Das wollen wir denn aber doch überhört haben! rief er, schon in der Tür. Er drohte mit dem Finger. Er wollte witzig sein. Wir waren zu dritt. Er, der Bruder und ich. Dieser Schreie. Oder Schreit, sagte er. Wo er doch seinerzeit schon eine Kriegsverletzung fälschlich geltend gemacht hat. Schwamm drüber.

Draußen am Himmel jagten Wolken dahin, verdunkelten sich, türmten sich auf und gaben die Sonne wieder frei. Wind stand auf den Pfützen, schob die Baumkronen zusammen, strich ihre Flanken glatt. Am Tag zuvor hatten die Eltern uns das neue Geld gezeigt. Den Zweier, den Fünfer, den Zwanziger-Schein. Wir durften sie anfassen. Daran riechen. Die gutgenährten und trainierten Frauen und Männer, die darauf abgebildet waren, in leichten antiken Gewändern zwischen Globen, Schriftrollen, Zirkeln und Ährenbündeln, mit Lorbeerkränzen in den Händen oder über Schrifttafeln gebeugt: Ich kannte sie aus Schwabs »Sagen des klassischen Altertums«, aus den Geschichtsbüchern der Brüder. Jetzt in unvertrauten, lichten Farben, lila auf orange, blau auf grün, braun/violett, auf großen, heiteren Lappen kehrten sie uns aus der Neuen Welt zurück.

Es war Juni und kühl. Der Bruder meinte, es röche nach Schnee. Du meinst, Dir ist, als röche es danach, sagte er Vater.

Es ist jetzt viele Jahre her, daß in einer psychiatrischen Anstalt mit noch nicht sechzig Jahren der Bruder starb. Viele Jahre lang hielt er sich dort auf. Anfangs in einer geschlossenen Abteilung. Dann, als man glaubt, sein unbändiger Wille, wieder freizukommen, habe sich verbraucht, läßt man ihn einem Gärtner zur Hand gehen; und zur Zufriedenheit der Aufsichtskräfte pflanzt er Blumen und Sträucher, so wie wir es als Kinder taten in dem großen verwilderten Garten vor der Stadt. Schon vorher hat er sich im Haus nützlich gemacht. Hat Topfpflanzen begossen und bei Müll und Geschirr mitangefaßt. Daß er um so eher entlassen würde, je anstelliger er sich zeige, hat ihn der beauftragte Pfleger ermahnt; daß es gelte, durch Folgsamkeit das Vertrauen der behandelnden Ärzte zu gewinnen. Als ich ihn ein letztes Mal lebend sehe, erkennen wir einander nicht mehr. Er liegt regungslos im Bett und sieht aus fast zugewachsenen, glasigen Augen an mir vorbei wie aus einem von Möbeln und Kleidern, Gardinen und Geschirr leergeräumten Haus. Sie führten mich aus dem Zimmer. Seinerzeit, als man ihn, an einem strahlend blauen Wintermorgen, aus dem von ihm angemieteten Haus holte, hatte er noch die Kraft gehabt, die Kellertür mit einem mannshohen Panzerschrank zu blockieren. Als sich das Räumkommando endlich doch Einlaß verschafft hat in die völlig verwahrloste Wohnung, ziehen sie ihn im Obergeschoß unterm Bett vor. Vom Nachtschränkchen nahm ich ein paar Bücher an mich. Sie handelten von dem preußischen König, der wie durch ein Wunder, durch den Tod seiner russischen Erzfeindin, eine schon verlorene Sache zu seinen Gunsten hatte wenden können. In die Seiten, die sich damit befaßten, waren Lesezeichen eingelegt.

Dynast. Im fünfzigsten Jahr ist der Dynast, als er die dezimierte Armee ein letztes Mal ins Gemetzel schickt. Er gesteht Vertrauten Gründe dafür ein, weshalb er den Kontinent in Krieg gestürzt hat: Dünkel, Ruhmsucht, die Genugtuung, seinen Namen in den Zeitungen und dereinst im Buch der Geschichte zu lesen. Er feixt auf der Höhe des Kriegsglücks, daß er Europa mit dem epidemischen Kriegsbazillus infiziert habe wie eine Kokotte ihre Galane mit gewissen schmerzhaften Beweisen ihrer Gunst. Er ruft den philosophierenden Brieffreund aus Paris zur Ordnung, den der Ehrgeiz, wie Seneca einen jungen Fürsten zu führen, ebenso treibt wie die Furcht, wie der Römer zu enden. Werden Sie denn niemals aufhören, Sie und ihre Amtsbrüder, die Erde zu verwüsten? hat dem Jüngeren der Alte zu schreiben gewagt. Werden Sie endlich Philosoph! bekommt er zur Antwort; räsonieren sie nicht. Daß es für Schöngeister erlaubte Freiheiten und unerlaubte Unverschämtheiten gebe, warnt der Dynast. Jetzt greint er. Was für klägliche Narren sie gewesen seien. »Für den Augenblick des Lebens mit Behagen zerstört die Meisterwerke des Gewerbefleißes. Und hinterlassen nur ein verhaßtes Andenken an unsere Verwüstungen und alles daraus entstehende Unheil.«

Der Dynast ist von Vaters wegen ein verschlagener Mensch. Ist er das? Oder denkt er nur zuviel? Laut? Über seine Kräfte hinaus? Der Dynast hat heucheln müssen von Kind an, um sich vor Schaden zu schützen. Herangewachsen, heuchelt er, um ihn zuzufügen. Don’t think twice, schreibt ihm aus London ein Rhys, Earl of Gower. Denken Sie, was Sie wollen. Nur nicht laut. Wenn Sie aber handeln, sorgen Sie dafür, daß die Schweinerei gelingt. Und sie wird für rechtens gelten.

Im fünfzigsten Jahr fehlt dem Dynasten die Hälfte aller Zähne. Aber über Zahnschmerzen oder Läuse nie das Zeichen einer Klage. Im Geschmack der Zeit interessiert ihn sein Körper: Koliken, Aderlässe, Klistiere, der Morgenschweiß. Er ist nicht großgewachsen. Groß sind seine Augen und stehen vor, wie nach vorn geschraubt der Kontrolle wegen, daß ihm nichts entgeht. Rotbraungebrannt ist ihm (Landmannshaut) das Gesicht wie das seiner Soldaten. Im gewöhnlichen Rock seines Garderegiments zu Fuß, nur kenntlich am achteckigen Stern auf der Brust, teilt er mit ihnen die Strapazen der Kriegszüge. Das Strohlager, Nässe, Kälte und schlaflose Nächte; und reitet mit ihnen mehr als einmal mitten ins Feuer. Daß er zerrissene Glieder, Wundfieber, Typhus und von Blut und Schmutz starrende Verbände nicht mit ihnen teilt, trägt seiner Legende nichts ab. Lieber mehr Tote, als die Zahl der Invaliden im Staat durch Amputationen zu vermehren, lautet eine Geheimorder. Weil er mit den schlimmsten Übeln, mit Kirche und Religion, die Geduld verliert, heißt man ihn tolerant. Ihm genügt Gott. Und daß man ihm pariere.

Daß er Frauen nicht liebt, schreibt das Volk ihm als Sparsamkeit zu. Daß er tagaus tagein im schnupftabakverschmierten, durchlöcherten Soldatenrock rumläuft, als Genügsamkeit. Unter den Dynasten seiner Zeit gilt er als Humanist. Daß er nicht einfach verschwenderisch und widerspruchsfrei niederträchtig ist wie sie, macht ihn zum Fall. Wenige Jugendjahre, in denen er bei Philosophen Trost sucht und findet, haben ihn unberechenbar gemacht. In seinem Staat müssen Kindsmörderinnen nicht selbst den Sack nähen, in dem man sie ertränkt. Sie werden einfach enthauptet; Soldatenkinder, nach Aufzucht in Erziehungsheimen, zu Bauern gegeben und volljährig zum Militär; Schlachtvieh, das reif ist. Erbarmungswürdig ist der Zyniker. »Möchten meine Soldaten anfangen zu denken, so bliebe keiner von ihnen im Heere.« Er verwirft sich selbst. In Gedanken. Denn machte er damit ernst, müßte er nicht weit Schlimmeren das Feld überlassen? Und da er sich selbst nicht verschont: wie könnte ein anderer es wagen, ihn zu verletzen?

Alles beherrscht er – ein bißchen. Wie man Oden, wie man Sonaten schreibt. Er skizziert Schlachten und Architekturpläne. Die Zuteilung von Brot und Fleisch, von Heringen, Stiefeln und Wachslichtern, von Recht und Unrecht, von Steuern und Kanälen, die Knöpfe an den Röcken der Soldaten und seine Kontrolleure: alles bringt er unter seine Kontrolle. Bis sich niemand mehr zu kontrollieren traut. Und wenn hier einer ihn kontrolliert, dann gefälligst er selbst. Der Monopolist. Der Mädchenjunge im Gichtaufzug: Er hat die Zustimmung des Volkes. Er beugt sich dessen Willen. Er ist der Große. Am Ende hat er hundertachtzigtausend Mann verbraucht. Da ist er im fünfzigsten Jahr.

›Eine verzweifelte Galeere‹ nennt den Staat der Nobelste im Land; und fügt hinzu, die Freiheit der Residenz reduziere sich darauf, gegen die Religionen so viele Sottisen zu Markt zu bringen, als man will. Daß Betrügerei, Verlogenheit und Doppelzüngigkeit leider der vorherrschende Charakterzug der meisten Menschen sei, die an der Spitze der Völker stünden, klagt der Dynast. »Er ist ein großer Mann mit einer bösartigen Seele«, ein anderer. Ein Mann, der »mit hinterhältigem Geist über Moral schreibt und mit brandigem Herzen handelt«. Kein Dichter, der nicht an ihm scheitert.

Haben wir alles? Nein.

Noch was? Nein.

Schluß jetzt. Er steht zwischen fünf und sechs Uhr morgens auf, im Sommer früher. Ist er angekleidet, setzt er sich an den Schreibtisch und nimmt sich die zur Nacht angekommenen Briefe vor. Jeder Untertan kann ihm schreiben, um etwas bitten, sich beklagen. Zugesichert ist jedem, daß man ihn höchsten Ortes zur Kenntnis nimmt. Aus der Post sucht sich der Dynast heraus, was ihm wichtig erscheint. Das übrige überläßt er einem Kabinettsrat zur Sichtung. Hat er gelesen, wäscht er sich Hände und Gesicht mit einer Serviette, setzt sich die Perücke auf, frisiert sie kurz und bedeckt sie mit dem dreispitzigen Hut. Unterm Hut, den er nur bei Tisch abnimmt, im Vorzimmer, nimmt er die Rapports der Adjutanten entgegen, gibt Ordres für den Tag. Er trinkt ein Glas Wasser, eine Tasse Kaffee. Er greift nach der schon aufgeschraubten Flöte und bläst etwa zwei Stunden lang, vorzüglich im Adagio. Mit den restlichen Briefen macht er sich vertraut. Den zuständigen Räten erläutert er, wie und was sie auf jeden antworten sollen. Und jetzt geht es auf Mittag zu, und er legt den Casaque ab; er bestreicht sein Haar mit etwas Pomade, läßt Puder darauf schütten, zieht den Uniformrock an und begibt sich zu Tisch. Aus sechs bis acht Schüsseln besteht die Tafel, hat er, wie gewöhnlich, Gäste. Er hat dazu, am Abend vorher, den Küchenzettel studiert. Er hat ihn ergänzt und korrigiert. Oder ganz neu geschrieben. Rebhühner gibt es heute statt Fasan. Nichts auszusetzen ist an gebratenen Lerchen. Für Wild sorgt die königliche Jagd. Die Pasteten kommen aus dem Perigord. Ein gefräßiger Mann ist der Dynast, obschon klein, früh gealtert und kränklich. Er schwadroniert. Er schwadroniert über alles. Politik, Historie, Theologie, Medizin. Er führt das Wort. Und läßt seinen Spott aus an jedem, dem er nicht gerade das Leben verdankt. Er saut herum. Ißt mit den Fingern. Er verschüttet den Wein. Auf der Uniform sammeln sich die Freßspuren des schlingenden Insekts. Er schnupft. Und das Braun des Tabaks mischt sich zum Fett und den Obstflecken des Heldenrocks. Auf dem Boden legt er den Hunden Happen aus. Hebt er die Tafel auf, sieht sein Eßplatz aus wie ein Schlachtfeld.

Gegen vier unterzeichnet er die rausgehende Post. Trifft danach einen Vorleser. Und spielt ab sechs noch mal zwei, drei Konzerte. Diskutiert mit diesem oder jenem Gelehrten. Das Abendessen kurz und mit wenigen. So vergeht ihm der Tag, das Jahr, sofern er nicht gerade auf Reisen ist, die Truppen in den Garnisonen oder im Manöver mustert, Bälle, Redouten oder Tafeln gibt, den Finanzetat berät und – tabellarisch vertraut, wie es heißt, mit Zahl und Art seiner Untertanen, der Häuser und öffentlichen Gebäude, des Viehs, des Gewerbes, der Bierbrauer und Branntweinbrenner, der Manufakturen, Fabriken, des Handels, der Aussaat, der Justiz, der Bergwerke und des Seehandels, der Binnenschiffahrt und der Melioration – die notwendigen Entscheidungen trifft, kurzum, achtundvierzig Stunden am Tag der erste Diener seines Staates ist und dabei noch Zeit findet für viele tausend Seiten an Briefen und historischen und philosophischen Abhandlungen.

Weil man in seinen Landen den Leichnam eines Selbstmörders nach dem Ritus schmäht, verteidigt er die Tat: »Man hat mich, ohne mich zu Rate zu ziehen, in die Welt gesetzt; sollte man mich hindern wollen, hinaus aus derselben zu gehen, wenn es mir hier nicht mehr darin gefällt?«

Er verfügt, daß auf seinen Reisen die Landleute nicht länger vor ihm niederknien mögen; »denn das Knie beuge man nur vor Gott.«

Er verfügt, gleich bei Amtsantritt, die Abschaffung der Folter.

Für Theologen nur Verachtung: »evangelische Jesuiter«.

Geht er zwischen neun und zehn Uhr schlafen, zieht er, noch in Stiefeln und Hosen, zunächst das Nachthemd über. Er legt die Perücke ab, bindet sich ein Tuch um den Kopf und darum ein Kissen anstelle einer Nachtmütze. Das Kissen schlingt er zu zwei Zipfeln gebunden, unterm Kinn zusammen, ein dritter Zipfel bedeckt die Stirn. Er läßt die Unterhosen aufs Knie fallen und setzt sich aufs Bett. Und jetzt erst zieht ihm ein Kammerdiener Schaftstiefel und Hosen aus.

Später, gegen Ende des Lebens, behält er die Stiefel einfach an.

Noch später, bleibt er vor Schmerzen im Stuhl.

Sein Lieblingshund schläft bei ihm.

Was man von ihm historisch überliefert hat, reicht für drei Leben. Ein Held wird nicht fett davon.

Daß das klar ist. Daß das schon mal gesagt ist. Was immer hier mal wieder erzählt sein will. Wer immer hier mal wieder den Rand nicht halten kann. Nennt ihn, wie ihr wollt. ›Ich‹: na toll. Es bleibt uns nichts erspart. Ich: Haben wir gern. Und auch das noch: Wir. Kinder. Kinder waren wir. Ganz normale blöde, kleine Ärsche; und kannten alle Sprüche des Dynasten. Alle seine Schlachten. Sogar den ›Sack bei Liegnitz‹. Die Rettung in letzter Minute. Das Wunder der Dynastie. Und die Filme dazu. Wenn ich allein an sie denke! Die Erdfontänen der Bomben und Granaten. Wie sie aufspritzten. Zugegeben, nichts gegen Bora Bora. Und auch die Soldaten starben alle noch richtig: wie heute nur noch GI’s … ›Kadetten‹ hieß einer. Die schon fast eroberte Hauptstadt verteidigten sie darin gegen den Erbfeind. Mit ihrem Offizier voran, dem invaliden Rittmeister. Beim Dynasten ist er einst auf den Tod in Ungnade gefallen. Jetzt opfert er sich. Auf dem Dachboden stöbern wir herum. Der Bruder findet die passenden hohen Gamaschen dazu. Schwarzer, kniehoher Filz. Zum Knöpfen. Daß die dünnen Beinchen endlich rundum stämmig darin aussahen, wie im Film. Wir marschierten herum damit. Verbanden uns die Köpfe mit Mullbinden und malten rote Flecken drauf. Einen alten Radmantel zogen wir unter Kartons vor. Wir warfen ihn uns um wie der Offizier, den ärmellosen Umhang, als tobten draußen Sturm und Schnee durch Brandenburg. »Ich habe Lust im weiten Feld / zu streiten mit dem Feind«, sangen wir. Die Zigarettenbilder-Alben, die Schwarten mit den alten Stichen – was sich auftreiben ließ: nichts entging uns.